Es fällt wohl in die Kategorie einer "negativen Überraschung", die die Statistik Austria bereithält: Laut ihrer Schnellschätzung hat die Trendwende bei der österreichischen Inflationsrate – zumindest vorübergehend – ein jähes Ende gefunden. Im Juni lag der Wert in Österreich bei 8 Prozent, im Juli bei 7 Prozent – im August aber wieder bei 7,5 Prozent. Der Anstieg gehe vor allem darauf zurück, "dass die Treibstoffpreise die Inflation weitaus weniger senken als in den Monaten davor", so Tobias Thomas, Generaldirektor der Statistik Austria. Es sei aber davon auszugehen, "dass sich in den nächsten Monaten im Jahresvergleich der bisherige Trend zu sinkenden Inflationsraten fortsetzt".

"Statistische Effekte"

Hier setzt auch Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) an. Die Analyse zeige, dass "vor allem statistische Effekte für den leichten Anstieg" sorgen. In den nächsten Monaten sei indes wieder mit einer Entspannung zu rechnen. Weniger entspannt wird das in der exportorientierten Industrie gesehen. Denn die Inflationsraten in Ländern wie den Niederlanden (3 Prozent) oder Deutschland (6,1 Prozent) liegen deutlich unter jener Österreichs. Der Eurozonenschnitt verharrt bei 5,3 Prozent.

"Folgen sicher nicht Zurufen irgendwelcher Experten"

Am 25. September startet die Herbstlohnrunde mit den KV-Verhandlungen der Metalltechnischen Industrie. Die Latte liegt hoch. Denn die durchschnittliche Inflationsrate für den Zeitraum September 2022 bis August 2023 beträgt 9,6 Prozent.

Reinhold Binder, der für die Produktionsgewerkschaft (Pro-Ge) seine Premiere als Chefverhandler "feiert", nennt die Situation für die Arbeitnehmer "tragisch". Er stellt im Gespräch mit der Kleinen Zeitung klar: "Es ist ausgeschlossen, dass der Abschluss für die Löhne und Gehälter unter der Inflationsrate liegen wird." Die konkrete Forderung der Verhandler werde zweistellig sein – wie hoch tatsächlich, analysiere man noch, so Binder.

"Rotstift nicht bei Arbeitnehmern"

Den Appellen von Wirtschaftsforschern an die Gewerkschaft, andere Maßstäbe als die rollierende Inflation für ihre Forderungen heranzuziehen, erteilt er eine Absage: "Wir folgen sicher nicht Zurufen irgendwelcher Experten, die nicht am Verhandlungstisch sitzen, die Modalitäten zu ändern." Das wäre ein "versuchter Lohnraub". Dass hohe Abschlüsse die Inflation anheizen und die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gefährden würden, weist er zurück: "In der Metallindustrie gab es zwei eklatant gute Jahre." Man könne daher nicht zulassen, bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern den "Rotstift" anzusetzen – "bei den Gewinnausschüttungen gab es ja auch keine Zurückhaltung".

"Wir haben nicht wirklich etwas zu verteilen"

Christian Knill, Obmann des Verbands der Metalltechnischen Industrie, sieht die Lage gänzlich anders. "Die Industrie steckt in einer Rezession, wir haben nicht wirklich etwas zu verteilen, die Voraussetzungen sind enorm schwierig." Er habe noch nie so viele nervöse Unternehmer erlebt wie im Vorfeld dieser Herbstlohnrunde. Dass die Inflation nun wieder gestiegen sei, "ist auch psychologisch nicht gut" und schade der Wettbewerbsfähigkeit: "80 Prozent unserer Produkte gehen in den Export, kommt es zu einer massiven Ausweitung der Lohnstückkosten, wird das Firmen und Arbeitsplätze kosten."

Knill bringt auch Einmalzahlungen ins Spiel, die kategorische Ablehnung seitens der Gewerkschaft könne er "einfach nicht verstehen". Einigkeit gibt es derzeit nur in einem Punkt. "Es werden sehr harte und sehr schwere Verhandlungen", ahnt nicht nur der Pro-Ge-Vorsitzende Binder.