Zwei Jahre hatte die EU am Chips Act gearbeitet. Die dramatischen Erfahrungen ganzer Industrien mit unterbrochenen Lieferketten, Chipmangel und Produktionsstillständen stehen hinter dem Kraftakt. Mit ihm will Europa rund um die noch wenigen verbliebenen Hersteller wieder eine starke Industrie aufbauen und seinen Marktanteil im global stark wachsenden Geschäft mittelfristig von zehn auf 20 Prozent verdoppeln. Konzerne wie Infineon oder AT&S werden dabei eine große Rolle spielen.
43 Milliarden Euro soll der Chips Act an Forschungsförderung und Investitionen in Bewegung setzen. Dafür dürfen die EU-Länder ab jetzt kräftig mit Subventionen arbeiten, was aufgrund des Beihilfenrechts bisher nicht in größerem Stil möglich war.
"Wie Mozartkugeln und Lipizzaner"
Österreich will die neuen Möglichkeiten offenbar auch schnell nutzen. Nur zwei Tage nach dem EU-Beschluss folgte ein Mikrochips-Gipfel im Bundeskanzleramt mit prominenten Vertretern der Industrie, darunter Sabine Herlitschka, Chefin von Infineon Österreich und AT&S-Vorstandschef Andreas Gerstenmayer. „Mikrochips made in Austria sollen so bekannt werden wie Mozartkugeln und Lipizzaner“, erklärte Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) anschließend vor Journalisten.
Potenzial ist beträchtlich
Das Potenzial für Investitionen ist groß - zumindest laut Berechnungen des Industriewissenschaftlichen Institut, das auf sieben Milliarden Euro kommt. Damit könnten 26.500 zusätzliche Jobs verbunden sein sowie weitere 10.000 neue Arbeitsplätze im laufenden Betrieb. Die Produktionskapazitäten würden durch die sieben Milliarden Euro verdoppelt. Die Halbleiterindustrie sei in Österreich eine Schlüsselindustrie, so Wirtschaftsminister Martin Kocher. „Ohne Halbleiter gibt es keinen Klimaschutz“, erklärte Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne).
Herlitschka hält den „Startschuss“ durch den Chip-Gipfel für extrem wichtig. „Heute ist ein ganz wichtiger Tag, eine ganz wichtige Weichenstellung für die Zukunftsfähigkeit von Österreich“, erklärte sie. Bei der nationalen Umsetzung des Chips Act sei jetzt ein intelligentes Bündel von Maßnahmen gefragt, mit dem Österreich schnell ganz vorne bei den Forschungsprojekten dabei sein müsse. Es gehe um Geld, aber nicht nur um Geld, sondern eine Stärkung der Ökosysteme rund um Unternehmen und Universitäten sowie eine nun startende branchenweite Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive, sagte sie bei dem Pressetermin.
Es bestehe jetzt "die einmalige Chance, Österreich und Europa hier klar auf der Überholspur zu positionieren", betonte AT&S-Vorstandschef Andreas Gerstenmayer im Anschluss an den Gipfel. Die Politik sei gefordert, "rasch zu handeln und der heimischen Mikroelektronik auch strategisch jenen Stellenwert zu geben, den diese im Alltag der Menschen längst einnimmt", hieß es in einer Aussendung.
Forschungsförderung
In der ersten Phase werden Projekte budgetiert und eingereicht. Über eine am Donnerstag freigeschaltete Website des aws können Unternehmen Interesse an Förderungen deponieren. Die 3,3 Milliarden Forschungsförderungen werden in der EU nicht nach einem festen Schlüssel an Länder verteilt, sondern an die besten Projekte vergeben, die dann auf nationaler Ebene Co-finanziert werden müssen. In den vergangenen 15 Jahren waren über die Forschungsförderung 530 Millionen Euro in die Branche geflossen, so Gewessler.
Bei Energiesparchips ist Österreich dank Infineon in Villach bereits weltweit führend. „Da ist schon viel gelungen, aber die Reise geht weiter“, so Herlitschka. Wichtig sei neben einem Schwerpunkt Energiesparchips der Ausbau der Forschung an Quantenchips, um die schnell aus dem Labor in Pilotanlagen zu bringen.
"Da müssen wir deutlich an Geschwindigkeit zulegen“
Unternehmen wie Infineon oder AT&S sind stark auf Fachkräfte aus aller Welt angewiesen. Österreich sei hochattraktiv für Fachkräfte, betonte Nehammer, räumte aber ein, dass es beim geordneten Zuzug von Fachkräften ein Umdenken brauche - etwa Genehmigungen schneller erteilt werden. Nehammer: „Dieses Umdenken muss in allen Köpfen beginnen. Da müssen wir deutlich an Geschwindigkeit zulegen.“
Claudia Haase