Die Wertpapiere der Bawag haben sich am Freitag in der Früh mit deutlichen Verlusten präsentiert. Die Titel rasselten nach 10 Uhr um 12,1 Prozent auf 38,7 Euro hinab, nachdem bekannt wurde, dass sich der Vermögensverwalter Petrus Advisers mit einem Brief an die Europäische Bankenaufsicht (EBA) gegen das Geldhaus gerichtet hatte. Allerdings erholte sich das Papier im Verlauf des Handelstags von den starken Verlusten zumindest teilweise. Die Aktien der BAWAG gingen in einem volatilen Handel mit einem Tagesumsatz von über 73 Mio. Euro an der Wiener Börse mit minus 5,9 Prozent aus dem Handel bei 42,22 Euro.

Was war geschehen? In dem Brief monierte Petrus Advisers die Praktiken des Managements, welches die Bank in eine "Ecke der Instabilität" dränge. Der Anleger Klaus Umek vom Hedgefonds Petrus Advisers hat sich auf die Unternehmensführung sowie die Geschäftspraktiken der börsennotierten Bawag eingeschossen und zeigt sie bei der Europäischen Bankenaufsicht EBA an. Umek kritisiert, dass sich das Management auf dem Rücken der Anleger bereichere. Außerdem nehme das Unternehmen am Markt zu viel Risiko und vernachlässige das klassische Bankengeschäft. Die Bawag war für eine Stellungnahme vorerst nicht erreichbar.

Kritik an Vergütungspolitik

Umek stößt sich zunächst an der Vergütungspolitik des Unternehmens. So habe sich die Führung der Bawag seit ihrem Börsengang im Jahr 2017 mehr als 200 Millionen Euro an Kompensation auszahlen lassen – ein Wert, der angesichts eines geringen Mehrwerts für die Anlegerinnen und Anleger nicht zu rechtfertigen sei. In einem Brief an die EBA verwies der Anleger auf einen Bericht der Behörde, wonach alle fünf österreichischen Banker, die 2021 mehr als sechs Millionen Euro verdienten, Bawag-Manager waren – und das, obwohl andere heimische Banken wie die RBI oder die Erste Group wesentlich profitabler als die Bawag seien.

Für unverhältnismäßig befindet Umek angesichts dessen auch die Vergütung von CEO Anas Abuzaakouk der zu den bestbezahlten Managern Europas gehöre. Im Jahr 2022 verdiente er 9,4 Millionen Euro. "Diese Leute räumen sich die Tasche voll in einer Weise, dass uns das wundert, dass wir so lange zugeschaut haben", so Umek am Freitag im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten.

"Keine Kunden mehr, die nach Krediten fragen"

Grobe Mängel ortet der Hedgefonds-Manager auch im geschäftlichen Bereich. So habe die Bank ihre Kreditvergabekapazitäten und damit ihre Möglichkeit, organisch zu wachsen, zuletzt drastisch abgebaut. "Man kann mit der Bawag in Wahrheit nicht mehr über Kommerzkredite, nicht mehr über Klein- und Mittelbetriebskredite, nicht mehr über Hypothekarkredite sprechen." Parallel dazu habe sie ihr Engagement im Kreditgeschäft am Immobilienmarkt in den USA aber deutlich ausgeweitet und sei dort Risiken ausgesetzt. Umek wertet das als Zeichen, dass die Bank keine Kunden mehr habe, die nach Krediten fragen. "Die Performance ist extrem deplorabel, sie hat kein stabiles Modell, sie hat nicht geliefert", kritisiert der Investor die Bank.

Qualitätsabfall im Kundenservice

Nicht zuletzt aber stehe die Bank im Privatkundengeschäft immer schlechter da, seit 2021 seien ihr sieben Prozent an nominellen Einlagen weggebrochen. Umek sieht die Ursache allen voran in einem sich verschlechternden Kundenangebot sowie in einem Qualitätsabfall im Kundenservice. Von zunehmenden Beschwerden über den Service bei der Bawag hatte zuletzt auch die Arbeiterkammer (AK) berichtet.

Umek hielt bis vor Kurzem drei Prozent der Aktien an der Bawag, die er inzwischen verkauft hat. Vor dem Gespräch sei er eine Short-Position eingegangen, auf deren Größe er nicht weiter zu sprechen kam. Das heißt, er würde von fallenden Kursen der Bawag-Aktie profitieren. Mit dem Bekanntwerden der Vorwürfe ist die Bawag-Aktie heute, Freitagvormittag, um knapp zwölf Prozent eingebrochen. Heuer im Jänner hatte er die Bank in einem "Kurier"-Interview noch gelobt: "Sehr intelligent, sehr schnell, rein zahlengetriebene Kapitalisten", beschrieb er das Management damals. Mittlerweile habe man sich aber genauer mit der Bank beschäftigt und sei zu einer diametral entgegengesetzten Bewertung gekommen.

Mit einem bevorstehenden Kollaps der Bank rechnet man bei dem Hedgefonds nicht. Im Vergleich zu den Geschäftsbanken in den USA, die zuletzt in Turbulenzen gerieten, sei das Exposure der Bank im Anleihenbereich gering. Petrus Advisers sieht dennoch die Aufsicht gefordert, einzuschreiten.

Auf die Anteilsscheine der beiden anderen großen Geldhäuser wirkte sich dies zunächst nicht negativ aus. Erste Group stiegen um 0,1 Prozent. Raiffeisen erhöhten sich um ein Prozent.