Eine besonders schöne Facette der Zukunft: Es wird gewuzzelt, und zwar ordentlich. Zahlreiche Tischfußballtische fallen als Lichtpunkte in den abgedunkelten Hallen auf, akustisch umrahmt von wuchtiger DJ-Musik. Ein riesiges Bällebad sticht ins Auge, ein Verkaufsstand bietet handgemachte Kosmetik an. Gegessen wird 100 Prozent Pflanzliches, "Crispy No Chicken Burger" etwa, Fallschirme werden per Virtual-Reality-Brille gelandet.

Willkommen auf "Europas führender Zukunftskonferenz", wie sich das Fifteen Seconds Festival selbst bezeichnet. Zum neunten Mal geht die Veranstaltung Donnerstag und Freitag in Graz über die zehn Bühnen, die Stadthalle dient als allumfassende Gastgeberin. 8000 Menschen aus über 30 Ländern säumen sie, mehr als 200 Menschen halten Vorträge.

Thiemo Gillissen und Stefan Stücklschweiger
Thiemo Gillissen und Stefan Stücklschweiger © KLZ/Richard Großschädl

Den Auftakt machen die Gründer Stefan Stücklschweiger und Thiemo Gillissen. Auf der hell ausgeleuchteten Hauptbühne, von Fifteen Seconds erstmals zur "Personal Growth Stage" ausgerufen, sprechen sie über eben jene Entwicklung der eigenen Persönlichkeit. Über menschliche Fähigkeiten wie Empathie, die in einer immer automatisierten Welt an Bedeutung gewinnen würden. Und über die "Optimisten". Sie werden es nämlich sein, so meinen es die beiden Grazer, die unsere Welt verändern – "und nicht die Neinsager".

Zweifelsohne in steter Veränderung ist die Arbeitswelt. Arbeitszeitmodelle verändern sich rasch, in den USA rechnet man bereits ab 2027 damit, dass erstmals mehr als die Hälfte aller Arbeitskräfte als Freelancer arbeiten. Also selbstständig, ohne feste Zugehörigkeit zu einzelnen Firmen oder fixen Arbeitszeiten. So erfährt man es jedenfalls auf jener Bühne, die sich New Work, also den neuen Arbeitswelten, widmet.

Und während dort Laura Williams Argilla, beim Streamingriesen Netflix für Produktinnovation zuständig, über das schwierige Zusammenspiel von Kreativität und technologischer Entwicklung referiert, spricht ein paar Höhenmeter und Minuten entfernt Eishockeylegende Dieter Kalt über Führungsqualitäten. Besonders viel Publikum versammelt sich bei Googles Fabian Schenker. Dessen, auf den Gesprächen der Konferenz omnipräsentes, Thema: "Mutiger und verantwortungsvoll in der neuen Ära der Künstlichen Intelligenz".

Männlicher Schnitt ist die Norm

Mit neuen Ären kennt sich indes kaum jemand am Festival so gut aus wie die Schwedin Astrid Linder. Ihr Auftritt in Graz fällt wissenschaftlicher als die meisten anderen aus, auch im Gespräch mit der Kleinen Zeitung entschuldigt sie sich für die vielen Zahlen, die sie anspricht. Aber die Daten seien nun einmal die Basis ihrer Arbeit. Diese wiederum bewegt weltweit.

Pionierin: Wissenschaftlerin Astrid Linder
Pionierin: Wissenschaftlerin Astrid Linder © KLZ/Richard Großschädl

Linder rüttelt an Etabliertem. Sie will den "Gender-Safety-Gap" ausmerzen, den Umstand, dass Frauen bei einem Autounfall einem deutlich erhöhten Verletzungsrisiko ausgesetzt sind als Männer. Dass vor allem Männer von den immer sicher werdenden Autos profitieren, liege, so Linder, an der Unfallforschung. Und etwa am Umstand, dass Crashtest-Dummys fast ausschließlich männliche Körper imitieren. Linder will das ändern und entwickelte den ersten echten weiblichen Crashtest-Dummy.

Dessen Körper ist anders geformt und mit einem anderen Schwerpunkt ausgestattet. Während sich die Forschung dank Menschen wie Astrid Linder also bewegt, bleibt die Regulierung starr. So wird etwa bei Auto-Sicherheitsgurten nach wie vor explizit vorgeschrieben, diese an Dummys zu testen, die dem männlichen Durchschnitt entsprechen.