Es ist ein erstes kleines Jubiläum, das der DSGVO, jener Rechtsakt, der personenbezogene Online-Daten schützen soll, in Bälde beschieden sein wird: Vor fast fünf Jahren, am 25. Mai 2018, trat die Datenschutz-Grundverordnung in Kraft. Der EU-Rechtsakt sollte einst den Datenschutz in Europa auf ein neues Niveau heben. Christiane Wendehorst, Professorin an der Uni Wien und "Klassenpräsidentin" der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, sparte bei einem Festvortrag an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt am Montag nicht mit Kritik an der "heiligen Kuh" DSGVO. Diese sei modernen Anforderungen nicht gewachsen, kritisiert die Spezialistin für Fragen der rechtlichen Herausforderungen der Digitalisierung.

Wendehorst sagt, sie verbinde mit der DSGVO eine Art "Hassliebe". Zum einen sei diese der erfolgreichste EU-Rechtsakt mit unglaublicher Ausstrahlung. Die Datenschutz-Verordnung sei weltweit zu einer "Messlatte" geworden. "Ob sie dieses Versprechen aber auch halten kann, ist eine andere Frage", erklärt Wendehorst. Sie sieht in dem Regelwerk daher einen "äußerst problematischen Rechtsakt".

"Aus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts"

Das Konzept der Datenschutz-Grundverordnung entstamme der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. "Das ist nicht mehr die Realität von heute." Mit einem Klick auf den OK-Button würden Daten millionenfach geteilt, es gebe eine Reihe von Konstruktionsfehlern in der DSGVO. So fehle die Dokumentation, was eine Zustimmung eigentlich alles auslöse. "So eine Einwilligung hat eine unbegrenzte Geltungsdauer, bis zum Widerruf. Haben Sie schon je eine Information bekommen, sobald Sie eine Einwilligung gegeben haben?", fragte Wendehorst beim Festvortrag. Es gebe "durch eine Einwilligung kein hohes Schutzniveau."

Uni-Wien-Professorin Christiane Wendehorst ist spezialisiert auf rechtliche Herausforderungen der Digitalisierung
Uni-Wien-Professorin Christiane Wendehorst ist spezialisiert auf rechtliche Herausforderungen der Digitalisierung © KK

Kehrtwendung der EU bei "Rohstoff Daten"

Wendehorst ortet in der DSGVO gleich mehrfache Fehlkonstruktionen. Seit Erlass der DSGVO habe die europäische Gesetzgebung zum Thema "Rohstoff Daten" zudem eine völlige Kehrtwende vollzogen, erklärt sie. Denn nun gehe es um die Verfügbarmachung von Daten im Interesse von Innovation und Wettbewerb. Wendehorst: "Überspitzt formuliert: Aus Datenminimierung wurde Datenmaximierung, aus Speicherbegrenzung wurden Speicherpflichten."

"DSGVO grundlegend neu denken"

Wendehorst kritisiert, dass die DSGVO unangetastet bleibe, wohl auch aus Sorge, dass dieser politische Kompromiss der EU um die Ohren fliegen könnte. "So lange der Gesetzgeber nicht den Mut hat, existierende Regulierung auch grundlegend neu zu denken und auch partiell zurückzunehmen, könnte auch die Bilanz der neuen Datengesetzgebung ernüchternd ausfallen."