Lediglich 2,8 Prozent Inflation weist unser Nachbarland, die Schweiz, für das Jahr 2022 aus. Ein Bruchteil der Teuerungsrate in Österreich, die vermutlich rund 8,5 Prozent betragen wird, ein seit Jahrzehnten einmalig hoher Wert.

Auch im Dezember wurde in der Schweiz eine Inflation von 2,8 Prozent verzeichnet, nach 3,0 Prozent im November, wie das Bundesamt für Statistik berichtete. Im August 2022 hatte die Inflation in der Schweiz mit 3,5 Prozent den höchsten Stand seit fast 30 Jahren erreicht.

Aber wie ist es zu erklären, dass die Schweiz, anders als die Länder der Eurozone, Großbritannien und die USA, nur sehr begrenzt unter hohen Teuerungsraten leidet?

Natürlich hat auch die Schweiz unter den hohen Importpreisen für fossile Energie zu leiden. Die Preise für Strom und Erdöl sind massiv gestiegen, die Importausgaben der Schweiz für Energieträger verdreifachten sich gegenüber dem Vorjahr.

Die Schweiz hat aber einen im Vergleich eher geringen Gasverbrauch. Der Rohstoff, der im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine von heftigen Preissteigerungen betroffen war, macht vom Schweizer Energieverbrauch nur rund 15 Prozent aus. Erdgas wird vor allem zum Heizen und in der Industrie gebraucht. Große Gaskraftwerke zur Stromproduktion gibt es keine. Auch ist die Industrieproduktion generell weniger energieintensiv als in Österreich, obwohl die Schweizer Wirtschaft eine Macht ist. Für Kleinunternehmen und Privathaushalte ist der Schweizer Strommarkt übrigens nach wie vor nicht liberalisiert, sie sind gezwungen, den Strom von ihrem lokalen Anbieter zu beziehen. 

Heizenergie und Ferien wurden teurer

Dennoch stiegen die Heizenergiepreise im November 2022 um fast 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch Ferien wurden kräftig teurer: Im Luftverkehr betrug die Teuerung 23,8 Prozent, bei Treibstoffpreisen plus 10,8 Prozent, Pauschalreisen wurde um 10 Prozent teurer.

Zur vergleichsweise niedrigen Inflationsrate trug auch das "beherzte Eingreifen" der Schweizerischen Nationalbank bei, sagen Ökonomen. Die Zinsen wurden frühzeitig angehoben, während die EZB sich die Teuerung noch schön- (und klein-)redete. Dennoch profitiert die Schweiz von nach wie vor tieferen Zinsen als in der Eurozone (Leitzins 1 Prozent vs. 2,5 Prozent). Weil die EZB ihre Zinsen aufgrund der hohen Inflation in diesem Jahr stärker anheben dürfte als die Nationalbank der Schweiz, werde sich die Zinsdifferenz ausweiten, erwarten Ökonomen.

Dank des liberalisierten Arbeitsmarktes und der hohen Zuwanderung – netto kamen 2022 75.000 Personen ins Land, in diesem Jahr werden 70.000 erwartet – komme es zu keinen Zweitrundeneffekten aufgrund hoher Lohnsteigerungen. Ja selbst die Schweizer Banker müssen sich laut "Handelszeitung" mit einer mageren Lohnrunde zufriedengeben, erhalten nicht einmal einen Inflationsausgleich.

Starker Franken als Schlüssel zum Erfolg

Die Schweiz profitiert enorm vom starken Franken. Ein Euro wird aktuell zu rund 0,9859 Franken gehandelt, knapp 5 Prozent tiefer als noch vor einem Jahr. Der Euro dürfte noch für längere Zeit unter der Parität bleiben. "Bei seiner (physischen) Einführung Anfang 2002 kostete der Euro noch 1,48 Franken und in den Jahren danach stieg er gar über 1,60 Franken", berichtet der "Tagesanzeiger". Ein wichtiger Grund für die Euro-Schwäche sei die hohe Inflationsdifferenz zwischen der Schweiz und der Eurozone. 

Hoher Wert der Währung dämpft Inflation

Auf die Schweizer Inflationsrate wirkt es dämpfend, wenn die eigene Währung an Wert gewinnt. Das federt gestiegene Preise für Importgüter ab. Dazu kommt, dass die Schweiz in vielerlei Hinsicht weniger von Importen abhängig ist, als etwa Österreich: Der Großteil des Stroms wird mit Wasser- und Atomkraft im Land produziert.

Lebensmittelpreise stabil

Ebenfalls inflationsdämpfend: Die Lebensmittelpreise sind in der Schweiz, anderes als in Österreich, kaum gestiegen. Um die Schweizer Bauern vor deren ausländischer Konkurrenz zu schützen, wurden hohe Zölle eingeführt. Das macht das Preisniveau zwar allgemein durchaus höher, dafür stabiler, weil die Abgaben als Ausgleich zum Teil gesenkt wurden.  "Manche Güter werden teurer, andere billiger. Inflation ist, wenn alle Güter gleichzeitig teurer werden. Das ist jetzt das Hauptproblem", erklärte im Sommer der Ökonom Christian Keuschnigg im Gespräch mit der Kleinen Zeitung. Auch unterscheidet sich die Gewichtung des Warenkorbs, Basis für die Berechnung der Inflation, deutlich von anderen Ländern.

Bereits im kommenden Jahr soll die Inflation in der Schweiz laut Ökonom Claude Maurer (Credit Suisse) auf 1,5 Prozent sinken, doch die Erwartungen sind uneinheitlich. Der Chefökonom des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse, Rudolf Minsch, erwartet eine durchschnittliche Inflation 2023 von 2,7 Prozent erwartet.