Das heurige Jahr brachte bei den Spritpreisen zahlreiche Premieren, bilanziert der Verkehrsclub Österreich das außergewöhnliche Jahr an den heimischen Tankstellen: Erstmals wurde – auch beim Durchschnittspreis – die 2-Euro-Grenze überschritten, noch nie waren die Unterschiede zwischen Höchst- und Tiefstpreis so groß wie heuer und erstmals war Eurosuper im gesamten Jahr deutlich günstiger als Diesel. Gut 1,40 Euro kostet ein Liter Eurosuper Mitte Dezember in Österreich – und damit ist der Preis wieder dort, wo er am Beginn des Jahres war.
"Dazwischen lag wegen des Angriffskriegs von Russland gegen die Ukraine das turbulenteste Spritpreisjahr seit der ersten Ölkrise im Jahr 1973. Noch nie war die Differenz zwischen Höchst- und Tiefstpreis mit rund 70 Cent so groß wie heuer", rechnet VCÖ-Experte Michael Schwendinger vor. Eurosuper war demnach übers Jahr gerechnet um rund zehn Cent pro Liter günstiger als Diesel. Zuletzt war der Jahresdurchschnittspreis von Diesel im Jahr 2008 höher als von Eurosuper, aber nur um zwei Cent je Liter.
Höchstpreise Mitte Juli erreicht
Den Höchstpreis erreichte Diesel Mitte Juli mit 2,09 Euro, im Jahresschnitt kostete ein Liter Diesel 1,82 Euro. Der aktuelle Preis liegt mit rund 1,60 Euro um mehr als 20 Cent darunter. Am billigsten war Diesel zu Jahresanfang mit 1,38 Euro pro Liter, so Schwendinger. Er erinnert daran, dass sich mit spritsparendem Fahrstil der Verbrauch um gut 15 Prozent reduzieren lässt. "Das sind in Österreich im Schnitt 90 Liter Benzin beziehungsweise 120 Liter Diesel pro Jahr, was heuer eine Ersparnis von rund 150 bzw. von 220 Euro bedeutete", betonte der VCÖ-Fachmann.
Teures Tanken änderte Auto-Nutzung kaum
Durch die hohen Spritpreise wurde zwar kaum weniger mit dem Auto gefahren, dafür aber etwas langsamer, geht unterdessen aus einer Studie im Auftrag des ÖAMTC hervor. Ausgewertet wurden dafür anonymisierte Handydaten der Telekom Austria. Insbesondere im April, Mai und Juni 2022 sei die Entschleunigung überproportional gewesen. Und Montag und Freitag sind demnach starke Homeoffice-Tage. Beim öffentlichen Verkehr gebe es eine höhere Nutzung als im Vor-Corona-Jahr 2019.
Den leichten Rückgang bei den gefahrenen Kilometern führt Michael Cik von der Datenanalysefirma Invenium primär auf die Corona-Quarantäne und das Homeoffice zurück, weniger auf die hohen Spritpreise. Dies ergebe sich aus der Analyse des ihm vorliegenden Datenmaterials. Die anonymisierte Nutzung der Handydaten sei rechtlich gedeckt, betonte Cik.
Für den ÖAMTC zeigt die von der Telekom-Tochter Invenium durchgeführte Studie, dass die Menschen trotz hoher Spritpreise unverändert mit dem Auto fahren, weil sie darauf angewiesen sind. Der Klub fordert eine Reduktion der Mineralölsteuer, eine Erhöhung des Kilometergeldes auf 60 Cent je Kilometer und eine Reform der Pendlerpauschale durch die Umstellung auf eine kilometergenaue Abrechnung.
Temporeduktion? ÖAMTC für Freiwilligkeit
Bernhard Wiesinger, Leiter ÖAMTC-Interessenvertretung, sprach sich zuletzt gegen eine Reduktion der erlaubten Höchstgeschwindigkeiten aus, er will vielmehr auf Freiwilligkeit statt Strafdrohung setzen. Wobei die von Invenium festgestellte Reduktion der Geschwindigkeit auf einem Rechenmodell basiert. Demnach hat die Durchschnittsgeschwindigkeit vom Frühsommer 2022 gegenüber dem November 2019 um 7,1 Prozent abgenommen, rechnete Cik vor. Wobei die Nutzung von Handydaten auch ihre Tücken hat: Ob der Handybesitzer nämlich in einem öffentlichen Bus sitzt, mit dem Rad fährt, auf einem Pferd reitet oder mit dem Privat-Pkw-fährt, erkennt das System nicht.
Wiesinger kritisierte heute die mangelnde Transparenz bei den Auslastungszahlen für die öffentlichen Verkehrsmittel, dies sei eines der best gehüteten Geheimnisse der Republik, meinte er. Laut Cik lässt sich aber aus seiner Datenanalyse erkennen, dass die Einführung des Klimatickets im Oktober 2021 erste positive Auswirkungen im Jahr 2022 in Bezug auf die Nutzung des öffentlichen Verkehrs habe – speziell im Bereich der Businessreisen an Werktagen und der Freizeitaktivitäten an den Wochenenden. Hätten die gestiegenen Spritpreise zu einem signifikanten Wechsel beigetragen, also zu einer Verlagerung des motorisierten Individualverkehrs auf den öffentlichen Verkehr geführt, wäre laut Cik eine verstärkte Öffi-Nutzung schon wesentlich früher in der Zeitreihe zu sehen gewesen.