Arbeitszeitverkürzungen helfen gegen den Fachkräftemangel und steigern dabei die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Produktivität. Das war die zentrale Botschaft von AK-Präsidentin Renate Anderl bei einer Pressekonferenz am Montag. Die Wirtschaftskammer (WKÖ) hält eine Arbeitszeitverkürzung hingegen für unpraktikabel.
Untermauert wurde die AK-Botschaft mit dem Fallbeispiel des oberösterreichischen IT-Unternehmens eMagnetix, das 2018 die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich einführte und die Bewerberzahl erheblich steigern konnte.
"Wir haben unsere Bewerbungen etwa um den Faktor zehn gesteigert", sagte eMagnetix-Geschäftsführer Klaus Hochreiter bei der Präsentation. Vor sechs Jahren hätten sich bei einer Junior-Stelle zehn Leute gemeldet, jetzt seien es hundert. Für Senior-Jobs in der Online-Marketing-Agentur würden sich jetzt im Schnitt 80 Menschen bewerben. Davor habe man hier praktisch keine Interessenten gefunden.
"Einfach gute Arbeitsbedingungen anbieten"
Ganze Branchen würden sich wundern, dass sie keine Mitarbeiter finden, sagte Arbeiterkammerpräsidentin Anderl. "Dabei wäre es ganz einfach: Wenn sie gute Leute suchen, dann bieten sie einfach gute Arbeitsbedingungen an." Aber auch die Politik sei gefordert: An Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) ging der Appell, das Thema Arbeitszeitverkürzung unter Einbindung der Sozialpartner nun anzugehen. Zudem solle die Solidaritätsprämie mit einer Kampagne beworben werden, so Anderl. Beim Solidaritätsprämienmodell gibt es eine Förderung vom Arbeitsmarktservice (AMS), wenn Arbeitskräfte ihre Normalarbeitszeit reduzieren wollen und das Unternehmen dafür eine neue Arbeitskraft einstellt.
Geringere Arbeitszeit durch bessere Arbeitsorganisation
Das Modell von eMagnetix sei nicht eins zu eins auf andere Bereiche umsetzbar, aber es habe gezeigt, dass es eine Möglichkeit sei, mehr Arbeitskräfte anzuziehen, sagte Anderl. Zudem habe die Evaluierung gezeigt, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivierter und gesünder in die Arbeit gingen. Das bestätigte auch Anna Arlinghaus vom Arbeitszeit-Beratungsunternehmen Ximes, das das Projekt 2019 und 2022 evaluierte und die Beschäftigten interviewte. Diese würden angeben, mehr Zeit für private Angelegenheiten zu haben, mehr zu schlafen und sich vermehrt weiterzubilden.
Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens würden sich nach der Arbeit auch immer noch fit fühlen, was Arlinghaus als Anzeichen dafür sieht, dass die Arbeitszeitverkürzung nicht zu einer höheren Belastung geführt habe, sondern dass die geringere Arbeitszeit durch eine bessere Arbeitsorganisation erreicht wurde.
Geringe Personalfluktuation spart Geld
Laut eMagnetix-Chef Hochreiter sei die Umstellung auch für die Unternehmer ein Gewinn: Nicht nur finde man leichter bessere Bewerber für offene Posten, durch die geringe Personalfluktuation spare man sich auch viel Geld. Die Produktivität habe sich in seiner Firma ebenfalls deutlich gesteigert, erklärte er weiter.
Zudem verringere die Arbeitszeitverkürzung den Gender-Pay-Gap, also den Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen. "Wir holen damit Frauen aus der Teilzeitfalle und Männer aus der Vollzeitfalle", wie es die AK-Präsidentin ausdrückte.
Wirtschaftskammer: "Zu kurz gedacht"
Aus Sicht der Wirtschaftskammer (WKÖ) ist die Aussage der AK, dass Arbeitszeitverkürzung gegen Fachkräftemangel hilft, "zu kurz gedacht und stimmt nur für den Einzelfall", so Generalsekretär Karlheinz Kopf. So sei dieses Modell für einzelne Unternehmen attraktiv, für andere hingegen unpraktikabel. Die Einführung einer 30-Stunden-Woche in einem Betrieb könne nur eine individuelle Unternehmensentscheidung sein.