Der Krieg in der Ukraine kann nach Einschätzung des Internationalen Währungsfonds (IWF) weitere europäische Länder dieses Jahr in eine Rezession stürzen. Am stärksten werde die Ukraine betroffen sein, deren Wirtschaftsleistung um 35 Prozent einbrechen dürfte, hieß es am Freitag im IWF-Ausblick für Europa. Für Russland, das nach dem Einmarsch in die Ukraine mit umfangreichen Sanktionen konfrontiert ist, dürfte es um 8,5 Prozent nach unten gehen.

Viele wichtige Wirtschaftsnationen wie Deutschland, Frankreich, Italien und Großbritannien werden laut IWF dieses Jahr zwei Quartale in Folge schrumpfen oder zumindest weitgehend stagnieren. Zwei Minus-Quartale in Folge gelten als Rezession.

Insgesamt hat der IWF seine Wachstumsschätzungen für die etablierten Wirtschaftsmächte um einen Punkt auf drei Prozent gekürzt. Die europäischen Schwellenländer - allerdings ohne Russland und die Ukraine - dürften dieses Jahr nur noch um 2,7 Prozent zulegen. Damit wurde die jüngste Schätzung aus dem Jänner um 1,5 Punkte gesenkt.

Die Inflation wird dagegen viel stärker zu einem Problem als gedacht. Hier rechnet der Währungsfonds mit 5,5 Prozent in den großen Ländern und sogar 9,3 Prozent in den Schwellenländern. Damit wurden die bisherigen Schätzungen um 2,2 beziehungsweise 3,5 Prozentpunkte angehoben. "Wir sind am Anfang einer neuen Ära hoher Inflation", sagte Frankreichs Finanzminister am Freitag dem TV-Sender BFM. Die Geldpolitik müsse womöglich entschiedener dagegen vorgehen, sollten sich die Risiken bestätigen, so der IWF.

Möglicher Kollaps in der Ukraine

Der ukrainische Finanzminister Serhij Martschenko warnte indessen angesichts des Krieges vor einem Kollaps der Wirtschaft in der Ukraine. Drei Viertel des Bruttoinlandsprodukts seines Landes seien seit Beginn der Kämpfe bereits verloren gegangen, zitierte der "Spiegel" am Freitag den Minister - demnach äußerte er sich im Gespräch mit seinen Amtskollegen der Eurogruppe laut Teilnehmern bei deren Treffen kürzlich in Luxemburg.

Martschenkos Angaben zufolge konnten zuletzt 64 Prozent der Erwerbstätigen in der Ukraine nicht mehr ihrer eigentlichen Arbeit nachgehen. Die Einnahmen des ukrainischen Staates seien stark gesunken und die Lücke wachse mit jedem Kriegstag weiter an, zitierte das Nachrichtenmagazin den Minister weiter.