Die USA interessieren sich für neue Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen und haben sich die österreichische Art der Lehr-Ausbildung genau angeschaut. "Mit ähnlichen Modellen wollen wir auch hier jungen Menschen bessere Chancen bieten", sagte US-Arbeitsminister Marty Walsh im Rahmen des Besuchs eines Werkes des Tiroler Holzriesen Egger gemeinsam mit Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP). "Wir können von Österreich viel lernen", sagte Walsh.

Mit einer besseren Ausbildung solle es mehr jungen Amerikanern gelingen, in die Mittelschicht aufzusteigen, wünscht sich Walsh. Womöglich kommt er auch auf Österreichbesuch. In den USA herrscht ein noch größerer Fachkräftemangel als in Europa, unter dem an Ort und Stelle auch heimische Firmen leiden. So haben Firmen wie Blum (Beschläge), Künz (Kräne), Getzner (Werkstoffe), einige weitere und eben Egger bereits begonnen, eigene junge Leute auszubilden – oder zumindest darüber nachzudenken.

Das Austro-Modell soll für die USA passend adaptiert dorthin exportiert werden. Das sagten Vertreter vieler Firmen in Gesprächen mit heimischen Journalisten im Zuge eines Arbeitsbesuches von Schramböck der Montag, Dienstag und Mittwoch (Ortszeit) nach Boston, Washington und North Carolina führte.

Intensiverer Austausch mit Österreich eingeleitet

Walsh und Schramböck unterzeichneten ein Memorandum of Understanding (MoU), das einen intensiveren Austausch lostreten soll. Aus Diplomatenkreisen hieß es, dieser Anknüpfungspunkt mit den großen USA sei für das kleine Österreich etwas Besonderes.

Eins zu eins umlegen lässt sich das System freilich nicht. Ohne einen Highschool-Abschluss läuft in den USA einmal gar nichts, will man von einem Gehalt halbwegs leben. Also gilt es eine vierjährige Berufsausbildung ab dem letzten Highschool-Jahr zu starten, in dem man einmal die Woche in die Arbeit geht. In den folgenden drei Jahren braucht es zumindest 30 junge Leute, damit eine Collegeklasse zusammenkommt, die dann einmal die Woche besucht wird, während viermal gearbeitet wird. Am Ende ist man eine Art Ingenieur, erläuterten etwa Bernhard Ebner von Egger gegenüber der APA und weitere heimische Firmenvertreter, hat sein Zertifikat – und vor allem kann man das, was die Firmen auch wirklich brauchen. Damit die Zahl an jungen Leuten zusammenkommt, wollen die österreichischen Firmen nun noch stärker kooperieren und ihre Leute gemeinsam in die nötige "Berufsschule", also das entsprechende College schicken.

Das Egger-Werk ist mit rund 700 Millionen Euro die zweitgrößte heimische Einzelinvestition in den USA jemals. Es liegt in Linwood in North Carolina.

Nach der Lehre sollen die jungen, gut ausgebildeten Facharbeiterinnen und Facharbeiter nicht zur Konkurrenz wechseln. Dafür gibt es Zuckerln. Zuckerln, die in Richtung heimischer Arbeitsrechte gehen und sich diesen weiter annähern, wenn man nach der Lehre bei der Firma bleibt. Die heimischen Firmen gehen etwas unterschiedlich vor, bieten beispielsweise etwas mehr bezahlten Urlaub und schnelleren Aufstieg in bessere Gehaltsklassen, wenn man bei der Firma, in der man ausgebildet wurde, bleibt. "Man muss kreativ sein", sagte ein Vertreter der Firma Stiwa.

Die Wirtschaft in den USA wächst trotz vieler Krisen und teurer Energie stark. Besonders gilt das für den Süden. Detail am Rande laut einigen Stimmen gegenüber der APA: Im Süden der Staaten würden sich tendenziell mehr Industriebetriebe aus aller Welt ansiedeln, weil dort die "Unionification" (Durchdringung durch Gewerkschaften) traditionell nicht sehr bis gar nicht ausgeprägt sei. Das heißt, es gibt praktisch keine Gewerkschaften. Diese gelten und gehen in den USA als Kampforganisationen vor, eine Sozialpartnerschaft, wie sie Österreich kennt, gibt es nicht. Walsh war ein Gewerkschaftsführer, bevor er Bürgermeister von Boston und nunmehr in der Biden-Administration Arbeitsminister wurde.

APA