KV ist nicht nur das Kürzel für Kollektivvertrag, sondern auch für den Kombinierten Verkehr, der in der Logistik eine mehrgliedrige Transport- oder Lieferkette beschreibt, die unterschiedliche Verkehrsträger integriert. Die Ladeeinheiten ohne Sattelzugmaschine werden dabei für lange Strecken auf die Bahn verladen. Auf der Straße fahren die Lkw nur vom Versender zum Verladebahnhof und vom Ankunftsbahnhof zum Empfänger.

Gudrun Winner-Athens gilt in Europa als Wegbereiterin für den Kombinierten Verkehr. Die Logistikunternehmerin aus Iserlohn in Deutschland ist Expertin in Sachen Straße-Schiene-Kombination. Von einer internationalen Jury wurde die 66-Jährige 2020 in die Logistics Hall of Fame, die Ruhmeshalle der Logistik gewählt. Und trifft dort unter anderem auf Henry Ford, den Erfinder der Fließbandfertigung. Den Paketdienst-Erfinder und UPS-Gründer Jamens E. Casey. Den Erfinder des Containers, Malcom McLean.

Winner wäre eine Spedition wie viele andere, hätte sie nicht schon in frühen Jahren auf eine Transportkette gesetzt, die in Zeiten der Klimadebatte relevant geworden ist. Als Mittel, die Umweltbelastung durch den Güterverkehr zu reduzieren. Mit einer CO2-Einsparung, die Experten auf bis zu 70 Prozent schätzen.

Die EU-Kommission fordert 30 Prozent des Straßengüterverkehrs über 300 Kilometer Transportentfernung bis 2030 auf Schiene- und Wasserwege zu verlagern. Ist das möglich? "Bisweilen habe ich den Eindruck, dass in der Bevölkerung eine Meinung entsteht, die davon ausgeht, den Lkw zu verdrängen. Der Realitätscheck sagt aber, dass dennoch Lkw voraussichtlich in der Zukunft den größten Teil des Güterverkehrs abwickeln werden", sagt Winner-Athens.

Allein das aktuell auf dem deutschen Transportmarkt bestehende Ungleichgewicht der beiden zentralen Verkehrsträger Straße mit 70 Prozent und Schiene mit 19 Prozent zeige die Unmöglichkeit. (Die restlichen Prozente fallen übrigens auf Schiff mit neun Prozent und Luft mit zwei Prozent.) Winner-Athens: "Komodalität, also die Optimierung der Benutzung verschiedener Verkehrsträger gemäß ihrer Stärken, ist ein Gebot der Stunde. Und damit sind wir beim Kombinierten Verkehr: Flexibilität und Schnelligkeit des Lkw im Vor- und Nachlauf; Umwelt- und Klimafreundlichkeit der Schiene auf langen Strecken." Die zunehmenden grenzüberschreitenden Verkehre könnten laut Winner-Athens der Treiber für den Kombinierten Verkehr werden.

Klimaneutrale Antriebe und Kraftstoffe seien das eine. Aber auch die Schiene gehöre in Sachen Umweltbelastung weiter verbessert: Lärmreduzierung, sparsamere Einsatz von Energie. "Insbesondere, wenn man davon ausgeht, dass sich der Umweltvorteil der Bahn verkleinern wird, sobald Lkw klimaneutral unterwegs sein werden", so Winner-Athens, die den Bau von Kombiterminals für ebenso unabdingbar hält wie die Behebung der Engpässe bei der Schieneninfrastruktur.

Auch administrativ sei noch einiges zu tun. Zwar soll das Europäische Zugbeeinflussungssystem ETCS "freie Fahrt" in Europa bringen. "Bis heute gibt es aber keine gemeinsame, einheitliche Sprache der Zugführer, sodass immer ein Muttersprachler auf der Lok sein muss. Stellen Sie sich diese Situation beim Fliegen vor", so Winner-Ahtens und gibt zu bedenken, dass "das europäische Eisenbahnsystem im Grundsatz nationalstaatlich geordnet ist und es somit einen exorbitanten Mangel an Interoperabilität" gibt. Die Schaffung eines europäischen Schienen-Binnen-Marktes sei unabdingbar.

"Es kann kein Primat eines Verkehrsträgers geben", so Winner-Athens. "Es wird nur mit gemeinsamer Kraftanstrengung aller am Transportprozess beteiligten Akteuren gelingen, den Verkehr zu dekarbonisieren. Nationalstaatliche Egoismen sind zurückzustellen, Allianzen zu bilden und nicht nur von Vernetzung zu sprechen, sondern sie auch zu betreiben."