Die Autofahrerseele kocht. Während Rohöl zuletzt wieder deutlich billiger wurde (ein Barrel zu 159 Liter der Sorte Brent kostete in der Vorwoche rund 130 Dollar, Mittwochnachmittag knapp unter 100), bleiben die Preise für Sprit nahe der Zwei-Euro-Marke. Nicht nur an der Zapfsäule schäumt der Ärger über, auch in der Politik gehen die Wogen hoch. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) will die Bundeswettbewerbsbehörde anrufen; diese betont, sie sei weisungsfrei, beobachte das Thema aber. Das deutsche Bundeskartellamt verspricht, sich "das genau anzusehen, wenn die Spritpreise jetzt den sinkenden Rohölpreisen nicht folgen" sollten. Die SPÖ wiederum wirft Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (VP) Untätigkeit vor, obwohl sie aufgrund des Preisgesetzes einzugreifen hätte.
Ein Tweet von Marcel Fratzscher, Ökonom und Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Mittwochvormittag goss weiter Öl ins Feuer: "Der wichtigste Grund für den starken Anstieg der Spritpreise sind die viel höheren Gewinnmargen der Mineralölkonzerne", schreibt Fratzscher.
Stimmt der Generalvorwurf, dass Mineralölkonzerne die Situation ausnützen, um sich eine goldene Nase zu verdienen?
Michael Böheim, Ökonom am österreichischen Wirtschaftsforschungsinstut (Wifo) bremst: "Nein, so einfach lässt sich das nicht sagen, es gibt keine empirische Untersuchung dazu." Zwar sei die Beobachtung richtig, dass Treibstoffpreise hoch bleiben, während Rohölpreise fallen. Aber, so Böheim: "Der Preis an der Zapfsäule hat nichts mit dem Öl zu tun, das momentan gehandelt wird. Das sind Preiserwartungen, und wenn die Preiserwartung hoch ist, weil man meint, der Ukraine-Konflikt dauert noch lange, die EU und Russland schotten sich ab, dann können die Preise sogar weiter steigen."
"Unsympathisch, aber nicht verboten"
Unternehmen seien nicht dazu verpflichtet, Ersparnisse im Einkauf und in der Produktion weiterzugeben, erklärt der Ökonom. Der Preis werde so festgelegt, "dass man sich überlegt, was der Konsument zu zahlen bereit ist. Das kann wesentlich mehr sein, als die Unternehmen in der Produktion oder im Einkauf dafür ausgegeben haben. Das ist ein Merkmal einer Marktwirtschaft, man spricht von einer Abschöpfung der Konsumentenrente". Im Klartext: Der Preis wird bewusst hoch angesetzt, um hohe Gewinne zu erzielen. "Das ist vielleicht unsympathisch, aber nicht verboten, solange die Unternehmen nicht ihre Marktmacht missbrauchen, sich absprechen oder sonst etwas Kartellrechtswidriges tun." Es werde niemand gezwungen, um zwei Euro je Liter zu tanken, "aber offensichtlich sind die Leute dazu bereit. Wenn niemand um zwei Euro tankt, ist der Preis nicht lange so hoch". Die Kehrseite: Viele Menschen sind auf das Auto angewiesen, darauf verweisen immer wieder die Autofahrerklubs und die Arbeiterkammer.
Bernd Zierhut, Geschäftsführer der oberösterreichischen Doppler-Gruppe (Turmöl) bestätigt der Kleinen Zeitung: "Die Verwerfungen des Krieges, das dürftige Angebot von Benzin und Diesel und die erhöhte Nachfrage führen zu einer Knappheit des Produktes." Die ungarische MOL (sie deckt in Österreich rund 20 bis 30 Prozent des Marktes) habe wegen der hohen Nachfrage im eigenen Land die Liefermengen gekürzt, sagt Zierhut. Probleme gebe es auch bei anderen Bezugsquellen. "Die angespannte Lage sorgt für die hohen Preise."
Das deckt sich mit der Erklärung, die am Mittwoch der Fachverband der Mineralölindustrie (FVMI) ausschickte. "Die gestiegenen Preise für Benzin, Diesel und Heizöl sind in erster Linie auf geopolitische Risikoaufschläge in Zusammenhang mit dem Krieg zurückzuführen. Die Nachfrage ist jedoch trotz gestiegener Preise weiterhin groß", was auch daran liege, dass in der Schweiz und in Deutschland die Preise noch höher liegen, so FVMI-Chefin Hedwig Doloszeski.
Sowohl Ökonom Böheim als auch Doppler-Manager Zierhut erwarten übrigens, dass die Preise wieder sinken werden. "Das alte Level werden wir aber so schnell nicht mehr sehen", sagt Böheim dazu. Und viel hänge von der Entwicklung in der Ukraine ab.