Ursula von der Leyen liebt Videobotschaften. Letzte Woche kam sie in einem kurzen Clip auf ein Problem zu sprechen, das seit Monaten das Wirtschaftsleben trübt: den Chipmangel. Europa sei zwar das weltweite Zentrum der Halbleiterforschung, meinte die EU-Kommissionspräsidentin, aber: „Ich möchte, dass wir ein starker Player in der gesamten Wertschöpfungskette werden.“ Das war ein Teaser für die heutige Präsentation des „EU Chips Act“ – ein milliardenschwerer Plan, mit dem Europa seine Abhängigkeit von Asien – vor allem China – reduzieren will.

Was bisher „der Markt“ geregelt hat, soll nun durch gezielte Maßnahmen der EU neu formatiert werden; ein heikler Eingriff mit ungewissem Ausgang. Der Anteil von derzeit zehn Prozent der Produktion soll bis 2030 auf 20 Prozent verdoppelt werden. Wenn man davon ausgeht, dass sich bis dahin die Gesamtproduktion ebenso verdoppelt, entspräche das einer Vervierfachung des jetzigen Outputs. Die Details des Plans liegen noch nicht vor, aber die Rede ist von einem Gesamtpaket in Höhe von 45 Milliarden Euro. Zwei Drittel davon wären demnach direkte Förderungen für neue Niederlassungen und Ausbau der bestehenden, der Rest würde u. a. für Wissenschaft, Forschung, Start-ups zur Verfügung stehen. In einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ sprach Binnenmarkt-Kommissar Thierry Breton, der das Paket heute vorstellt, von „drei oder vier großen Halbleiterfabriken auf europäischem Boden“, mit deren Hilfe die EU den Eigenbedarf decken und gar „die Weltmärkte erobern“ soll. Erleichtert werden sollen auch Genehmigungsverfahren, später könnte es im Krisenfall dann sogar dazu kommen, dass der Export von Chips untersagt werden kann.

Warnung vor globaler Subventionsspirale

Was zunächst sehr vielversprechend klingt, ruft aber auch kritische Stimmen hervor – sogar innerhalb der Kommission. Wettbewerbskommissarin Margrete Vestager warnte davor, in eine globale Subventionsspirale einzutauchen. So stelle sich die Frage, ob man hochmoderne Chips für künftige Supercomputer ins Zentrum rücken soll oder „einfachere“, die auf dem Weltmarkt in hoher Zahl für alltägliche Produkte, vom Auto bis zum Kühlschrank, gebraucht werden.

Österreich will „Mogelpackung“ verhindern

Auch die österreichische Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck, die sowohl mit Vestager als auch Breton Gespräche führte, hat Bedenken; der Chips Act dürfe keine „Mogelpackung“ werden: „Die Schwerpunkte dürfen sich nicht nur auf die Produktion beschränken, sondern müssen die gesamte Wertschöpfungskette vom Design bis zu Vorprodukten einbeziehen.“
Das Wirtschaftsministerium hat deshalb vorab einen Forderungskatalog nach Brüssel übermittelt, unterstützt durch Betriebe wie Infineon, AT&S oder NXP. Österreich ist im Bereich Mikroelektronik der sechstgrößte Standort innerhalb der Europäischen Union.

Eine völlige Selbstversorgung Europas sei Illusion, hatte Vestager zuletzt über eine neue Wettbewerbspolitik gesagt. Ziel von Maßnahmen müsse daher sein, eine Diversifizierung unter gleichgesinnten Partnern zu ermöglichen und belastbare Lieferketten aufzubauen. Bei den Beihilfen müsse jedenfalls gewährleistet sein, dass sie „notwendig, angemessen und verhältnismäßig sind und unangemessene Wettbewerbsverzerrungen minimiert werden“.

Offene Details

Zu den offenen Fragen gehört zunächst auch, wie sich die Kommission die europäischen Standorte im Detail vorstellt, sind doch die Chiphersteller global agierende Unternehmen. So wie Elon Musk seine Gigafactory baut, plant etwa US-Gigant Intel eine riesige Europa-Niederlassung. Die Amerikaner, die erst letzte Woche eine Milliardenklage der EU beim EuGH abwehren konnten, würden sich über EU-Geld freuen.