Im Oktober will die Koalition ihre Steuerreform vorstellen, Türkis und Grün propagieren die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen. Das klingt gut, und auch, wenn es zu einer Entlastung im Vergleich zum Ist-Zustand kommen sollte, wirft der wirtschaftsliberale Think Tank Agenda Austria einen kritischen Blick auf die Entlastungsankündigungen.
Denn in Österreich gibt es immer noch die kalte Progression. Sie bewirkt einen Anstieg des Steueraufkommens für den Staat und ist eine von den meisten Menschen unbemerkte Steuererhöhung. Wie es dazu kommt, erklärt die folgende Begriffsdefinition:
Um die kalte Progression zu vermeiden, müssten die Tarifstufen und die Steuerabsetzbeträge jährlich an die Inflation angepasst werden - doch das hat die Regierung derzeit nicht vor. Im Gegenteil: "Jeder Prozentpunkt Inflation bringt dem Fiskus Mehreinnahmen", erklärt Agenda-Austria-Ökonom Denes Kucsera der Kleinen Zeitung.
Konkret berechnete Kucsera die Belastung durch die kalte Progression in den vergangenen fünf Jahren, also seit 2016. Bis 2021 sei dadurch eine steuerliche Mehrbelastung für die Bevölkerung in Höhe von 1,58 Milliarden Euro zustande gekommen. Berücksichtige man die erste Steuertarifsenkung im Jahr 2020, bleibe immer noch eine Mehrbelastung in Höhe von 450 Millionen im Vergleich zu 2016. Das heißt, durch die Tarifsenkung wurde ein Teil der kalten Progression rückerstattet, aber nur zu etwas mehr als zwei Drittel.
Echte Entlastung im nächsten Jahr
Im Jahr 2022 würde die steuerliche Mehrbelastung durch die kalte Progression trotz Tarifsenkung auf 947 Millionen Euro anwachsen. Geplant ist aber eine zweite und dritte Stufe einer Tarifsenkung (von 35 und 42 Prozent auf 30 und 40 Prozent), werden diese umgesetzt, liefern Steuerzahler 2022 um insgesamt 800 Millionen Euro weniger an den Staat ab. Bereits 2023 sei die Entlastung wieder bei null. Und nimmt man die gesamte Periode von 2016 bis 2022, so liege die Mehrbelastung laut Kucsera bei 1,5 Milliarden Euro - auch mit allen Tarifsenkungen. "Die Steuerzahler realisieren das nicht", meint der Ökonom. "Die kalte Progression erlaubt es den Regierenden, alle paar Jahre die ,größte Steuerreform aller Zeiten' zu beschließen - ohne dabei die Steuerbelastung wirklich zu senken."
Dabei weist der Ökonom sogar nach, dass kleinere Einkommen bis 2000 Euro brutto im Monat nicht profitieren, wenn man kalte Progression und Steuersenkungen seit 2016 gegenrechnet. Im Gegenteil sei ein monatliches Bruttoeinkommen von etwa 1500 Euro seit der letzten Reform sogar um rund 200 Euro stärker belastet. Höhere Einkommen würden durch die Senkung der Tarifstufen hingegen eindeutig entlastet. "Es kann erst dann von einer wirklichen Steuerreform gesprochen werden, wenn die kalte Progression abgeschafft wurde", betont Kucsera.