Der Aufsichtsrat der Lenzing AG, eines weltweit führenden Herstellers holzbasierter Cellulosefasern, hat sich einvernehmlich mit dem langjährigen Vorstandsvorsitzenden Stefan Doboczky über eine vorzeitige Auflösung seines Vertrages geeinigt. Das gab das oberösterreichische Unternehmen heute, Dienstag, bekannt. Die Entscheidung gilt durchwegs als Überraschung.
Doboczky ließ den Aufsichtsrat zuvor wissen, "für eine weitere Verlängerung seines Vertrages ab 2022 nicht zur Verfügung zu stehen", heißt es in der Aussendung des Konzerns. Der Aufsichtsrat nehme die Entscheidung "mit großem Bedauern zur Kenntnis und wird den Vertrag mit Ende des dritten Quartals 2021 im Einvernehmen mit Doboczky auflösen". Der Kärntner Doboczky (54) verlässt also nach gut sechs Jahren den Chefsessel des Faserherstellers.
"Österreichische" Masken aus China
Doboczky sagte, es seien sehr persönliche Gründe gewesen, die ihn zu diesem Schritt bewogen hätten. "Im Wesentlichen geht es um die Gestaltung des letzten Dezenniums meiner sehr aktiven beruflichen Laufbahn. Es war eine klare Entscheidung zu treffen: wenn ich mich noch einer neuen Herausforderung stellen will, dann jetzt oder gar nicht mehr." Und weiter: "Es wartet eine spannende Aufgabe auf mich. Ich ersuche Sie aber um Verständnis, dass ich mich dazu jetzt noch nicht äußern kann." Seine Funktion als OMV-Aufsichtsrat werde er behalten.
Die Situation bei der Hygiene Austria sei für ihn kein Faktor bei seiner Entscheidung gewesen. "Das Kapitel war für mich bereits abgeschlossen", so Doboczky. Das Joint Venture mit Palmers zur Produktion von Schutzmasken hatte einräumen müssen, dass die als österreichische Produktion beworbenen Masken teilweise in China eingekauft wurden. Auch gab es heftige Kritik an den Arbeitsbedingungen. Lenzing stieg aus dem Joint Venture aus, die Maskenproduktion wurde schließlich verkauft.
Plädoyer für CO2-Steuer
Für Doboczky sei jetzt ein sehr guter Zeitpunkt für den Wechsel, er übergebe ein Unternehmen, das dafür aufgestellt sei, bis 2050 klimaneutral zu werden. Die dafür nötige Transformation sei abgeschlossen. "Ich kann einen Weltmarktführer mit großem Potenzial als wohlbestelltes Unternehmen übergeben", so Doboczky. Die Lenzing werde noch viele Jahrzehnte in Österreich produzieren, da sie "ein überaus innovatives Unternehmen mit einer nachhaltigen Strategie" sei. Außerdem sei Lenzing auch ein Forschungsstandort und "ohne Produktion gibt es keine Forschung".
Doboczky plädiert für eine CO2-Steuer. "Man muss aber Mechanismen finden, dass der Industriestandort Europa nicht gefährdet wird", grenzt er ein. Das gelte etwa für die Einhebung von CO2-Steuern beim Import von Gütern. "Höhere CO2-Abgaben in Europa werden Innovation vorantreiben, viele Prozesse beschleunigen und mehr Arbeitsplätze bringen", erwartet Doboczky, auch Lenzing habe bei gleichzeitiger Absenkung des CO2-Ausstoßes die Zahl der Jobs gesteigert.
Ganster wird Vorstandssprecher der Prinzhorn-Gruppe
Zum interimistischen CEO wurde Cord Prinzhorn bestellt. Prinzhorn ist seit Mai 2021 im Aufsichtsrat der Lenzing AG und soll "solange zur Verfügung stehen, bis eine langfristige Lösung gefunden ist."
Eine Stunde vor der Lenzing-Mitteilung gab die Prinzhorn-Gruppe bekannt, ab 1. November mit Harald Ganster einen neuen Vorstandssprecher zu bekommen. Cord Prinzhorn habe dort auf eigenen Wunsch die Geschäftsführung verlassen.