Der Kauf der US-Firma Meridian Brick kurz vor Weihnachten um 250 Millionen Euro wurde von der Börse sehr positiv aufgenommen. Zufrieden?
HEIMO SCHEUCH: Wir bauen damit unser Geschäft in den USA sehr stark aus, verdoppeln unseren Umsatz in Nordamerika und haben ein riesiges Synergiepotenzial. Wir sehen, dass Ziegel in Nordamerika im Sinne der Nachhaltigkeit zunehmend eine wichtige Rolle spielen werden. Dazu kommt, dass die USA ein wachsender Markt ist.

Baustoffe haben sich ja 2020 als krisenresistent erwiesen. Sind Sie ein Krisengewinner?
Ich würde uns nicht als absoluten Gewinner sehen. Es zeigt sich, dass die Branche an sich gesund ist, alle haben stark an der Innovation gearbeitet. Und bei Nullzinsen schauen die Menschen, wo sie ihr Geld anlegen – Ausbau, Umbau, Renovierung und Neubau sind wichtige Themen. Auch der Staat muss in Infrastruktur investieren.

Aber immer mehr Menschen können sich Mieten oder Wohneigentum gar nicht leisten. Gibt es Ausweg aus diesem Dilemma?
Ja, den gäbe es schon. Die Preise für Grund und Boden haben sich in einigen Regionen dramatisch nach oben entwickelt. Da ist auch sehr viel Spekulation dabei. Dazu kommt die Frage der Verfügbarkeit von Bauland.

Wie löst man das Problem?
Entweder widmet man mehr, erweitert bestehende Widmungen oder man beschleunigt die Verfahren. Denn die Behörden sind derzeit sehr langsam, Milliarden an Investitionsvolumen liegen brach. Bedingt durch zusätzliche Verordnungen und Gesetze hat sich das Bauen enorm verteuert. Und man kann darüber nachdenken – das wäre ein visionärer Ansatz -, dass man Gebäude vom Grundstück entkoppelt.

Mit zwei unterschiedlichen Eigentümern?
Ja. Langfristige Mieten für ein Grundstück haben wenig Auswirkungen auf die Gebäudekosten. Man müsste das Ganze also pragmatischer machen: Kostenreduktion beim Bauen durch einfachere Vorschriften – und das Gebäude von der Liegenschaft entkoppeln. Der Staat könnte langfristig Eigentümer von Grund und Boden bleiben und diesen verpachten.

Warum passiert das nicht?
Die Spekulation mit Grund und Boden ist leicht verdientes Geld. Da werden Äcker um 10, 15 Euro pro Quadratmeter gekauft und nach Umwidmung sind 500 oder 600 Euro drinnen. Ich bin kein Kommunist, aber Grund und Boden gehören an sich der Menschheit, das Thema Privateigentum sollte man daher relativ sehen. Da sollte Spekulation nicht stattfinden.

Sie sagen Milliarden liegen brach, weil die Verwaltung schwächelt – liegt das nur am Virus?
Die Covid-Krise zeigt uns die Ineffizienzen deutlich auf. So wie wir uns im Privatleben verändert haben, um effizienter zu werden, muss das auch der Staat lernen zu tun. Der Staat ist nicht effizient. Wir können den Großteil – Akte, Genehmigungen – digital erledigen. Das würde Kosten senken. Und die Verwaltung würde nicht mehr stillstehen. Wir zahlen das alles ja mit unseren Steuergeldern.

Wienerberger hat die Gewinnprognosen nach oben revidiert, starkes Zeichen der Old Economy?
Wir verfolgen keine Geschäftsmodelle, die gehypt werden und dann wieder verschwinden, sondern wirken nachhaltig. Das Rekordergebnis vom letzten Jahr liegt bei knapp unter 600 Millionen Euro, heuer werden wir bei rund 550 Millionen liegen. Das zeigt, dass uns als Wienerberger Covid nicht so erschüttert hat.

Teilen Sie den Optimismus, dass Covid 2021 besiegt werden kann?
Ich bin ein Optimist. Ich warne aber vor dem enormen Enthusiasmus. Wenn einer sagt, die Krise sei im Februar vorbei, dann im März und dann sagt man, sie ist im Sommer vorbei, ist das nicht ehrlich, das tut man einfach nicht.

Weil die Krankheit nicht über Nacht verschwinden wird?
Die Viren mutieren, verändern sich. Ich warne davor zu sagen, es sei mit Tag X vorbei. Es hat keinen Sinn von einer Pressekonferenz zur anderen zu gehen und zu sagen, heute dürfen Sie sich zu fünft treffen, morgen zu zweit und übermorgen sind Sie allein. So kann ich auch keine Firma führen. Man muss Visionen entwickeln. Es geht um die Zukunft von vielen Generationen. Ich kann nicht sagen, du darfst deine Lieben nicht angreifen, du darfst sie nicht umarmen. Sie können dem Menschen, einem sozialen Wesen, nicht alles wegnehmen.

Verlangt die Politik zu viel von den Bürgern?
Es geht darum, wie wir miteinander umgehen müssen. Sie können nicht jede zweite Woche was anderes sagen. Es geht nicht nur um den wirtschaftlichen, sondern auch um den kulturellen Standort Österreich. Wir dürfen nicht kulturell verarmen. Viele, viele Menschen sind im Kulturbereich tätig und leisten Großes, man kann ja nicht alle vor den Kopf stoßen.

Das passiert, aber nur im Sinne der weiteren Reduktion von Kontakten.
Ja, aber was ist das für ein Leben? Wenn man für 17.000 Menschen im Unternehmen verantwortlich ist, stehen Gesundheit und Sicherheit ganz oben. Aber wir müssen nun wieder lernen miteinander umzugehen – und nicht, uns aus dem Weg zu gehen. Die Gesellschaft zu spalten ist sehr gefährlich, man macht einen großen Fehler. Deswegen warne ich vor dem zunehmenden Populismus in der Politik.

Wie gehen Sie in das neue Jahr 2021?
Leichter als 2020 wird es nicht, das Umfeld wird sehr ähnlich sein, wir werden hart arbeiten müssen. Das neue Jahr ist eine neue Chance, deshalb ist es so wichtig, dass die breite Bevölkerung wieder Optimismus hat und an die Zukunft glaubt. Wenn ich sie gleich am Jahresanfang mit einem Lockdown konfrontiere, ist es nicht so lustig. Krisenmanagement ist etwas sehr Subtiles.

Ein gutes Zeugnis stellen Sie der Regierung nicht gerade aus.
Ich bin kein Lehrer, sondern ein freier Mann so wie Sie. Das entscheiden dann die Wähler. Ich sage nur heute: Wir haben ein hohes Risiko, dass die Bevölkerung demotiviert ist und für den Standort Österreich nicht jene positive Grundhaltung gefördert wird, die wir brauchen.