Nichts für schwache Nerven, nichts für empfindliche Mägen: Das Börsenjahr glich einer Fahrt auf der Achterbahn. Als ob es am Ende noch eines Beweises bedurft hätte, reagierten die Kurse auf die Nachricht einer möglicherweise hoch ansteckenden Virus-Mutation und den Landeverboten von Flügen aus Großbritannien mit einer schnellen Talfahrt. In den ersten Handelsminuten rutschte der österreichische Leitindex ATX am Montag um fast fünf Prozent ab, erholte sich im Lauf des Tages zwar, blieb aber klar im roten Bereich. Gewinner gab es nicht. Dem deutschen DAX in Frankfurt erging es kaum besser. Die Brexit-Gespräche setzten der miesen Stimmung noch eines drauf.

Das ist aber noch harmlos im Vergleich zu den Ereignissen am 12. März: Kurz bevor Österreich in den ersten Lockdown ging, stürzte der Austrian Trading Index um 13,65 Prozent ab. Es war der höchste Tagesverlust in der Geschichte des ATX, der auf das Niveau des Sommers 2016 zurückfiel. Schon von Jahresbeginn bis zu jenem 12. März hatte der Index 37,5 Prozent seines Wertes eingebüßt.

Semperit und das "Sorgenkind"

Doch ging es in diesem Jahr eben nicht nur bergab, sondern an manchen Tagen steil bergauf. Der Durchbruch beim Impfstoff sorgte für eine Rallye an den Börsen und beim ATX für eine Steigerung um 24 Prozent im gesamten Monat November.

Unterm Strich – Stand per 15. Dezember – steht dennoch ein sattes Jahresminus zwischen 13,43 Prozent (inklusive Dividenden) und 15,35 Prozent (exklusive Dividenden) zu Buche.

Hingegen kannte der Kurs des börsennotierten Gummiverarbeiters Semperit in diesem Jahr nur eine Richtung – hinauf. Ausgerechnet das langjährige Sorgenkind des Konzerns, die Medizinsparte, erlebte im Jahr der Pandemie eine Hochkonjunktur und konnte das Minus des Industriesektors mehr als ausgleichen. Semperit produziert in Österreich und Malaysia Medizinhandschuhe und wollte die Sparte vor Ausbruch der Krise eigentlich loswerden.

Die ungeahnte Nachfrage nach den Schutzhandschuhen ließ den Kurs des Unternehmens binnen Jahresfrist um 119,93 Prozent ansteigen und katapultierte die Semperitaktien zum weitaus größten Gewinner im sogenannten Prime Market. Dahinter folgen Verbund AG (39,58 Prozent), Mayr-Melnhof Karton (34,11), Marinomed Biotech (20) und Voestalpine AG (15,53).

Christoph Boschan
Christoph Boschan © APA/Hinterramskogler

Auf dem Wiener Markt beliefen sich die Aktienumsätze per Mitte Dezember bei 66,43 Milliarden Euro, um 10,9 Prozent mehr als 2019. Erhebliche Umsatzbeiträge kamen von neuen Initiativen, resümiert der Wiener Börsenchef Christoph Boschan. So gelang im internationalen Markt fast eine Verdoppelung des Handelsvolumens auf 3,45 Milliarden Euro. Der Handel an vier österreichischen Feiertagen brachte einen Zusatzumsatz von 820 Millionen Euro (2021 werden es fünf Feiertage sein). Der stärkste Handelstag war übrigens der 19. Juni mit 915 Millionen Euro.

Finanzwissen gefragt wie nie

In einem extrem unsicheren Jahr und vor dem Hintergrund der anhaltenden Nullzinsphase registriert die Börse außerdem ein stark steigendes Interesse an Finanzbildung. 2000 Teilnehmer am heurigen Seminar- und Webinarangebot der Wiener Börse in Kooperation mit dem Wifi Management Forum bedeuten eine Verdoppelung im 15-jährigen Schnitt.

Das meist gebuchte Angebot seit Einführung 2005 ist der Einstiegskurs („Das 1x1 der Wertpapiere“), heuer fanden elf Termine statt. In Summe gibt es 30 verschiedene, kostenpflichtige Themen, die bis zur Ausbildung zum Börsenhändler reichen.