Die Coronakrise fräst sich derzeit in alle Gesellschaftsbereiche, die damit einhergehenden Veränderungen sind immens. In Kooperation mit dem Verein „DENKwerk Steiermark“ werfen zahlreiche Experten aus unterschiedlichsten Bereichen einen persönlichen Blick auf die Zukunft nach Corona. Die Unternehmerin Regina Friedrich über Voraussetzungen für den Erhalt des momentan vorhandenen Regional-Hypes.

Alle zeitgeistigen Strömungen haben ihre Ikonen. Zuletzt waren es riesige Kreuzfahrtschiffe, die an allen möglichen und unmöglichen Stellen ihre Tausenden Passagiere für wenige Stunden ausspucken, welche dann im Eiltempo ihre Ziele geradezu heimsuchen. Der wichtigste Zweck der Übung? In digitalen Medien demonstrativ den Beweis zu erbringen, dass man es sich leisten kann, im großen, schwimmenden Club- und Freizeitpark mit seinem Angebot an Sport, Kulinarik und Entertainment auf große Welt zu machen. Kreuzfahrten sind so zum Inbegriff der „Alles-ist-möglich-und-das-sofort-und-gleichzeitig-Gesellschaft“ geworden.

Es wurde auch selbstverständlich, mal eben – unabhängig von Öffnungszeiten – im Internet zu recherchieren und per Mausklick dort zu bestellen, wo man den Preis des Händlers um die Ecke unterbieten kann. Dass das Angebot dann vor allem von internationalen Internetanbieter kommt, wird achselzuckend zur Kenntnis genommen. Nur manchmal, wenn der Zusteller die neue Waschmaschine an der Bordsteinkante abstellt, oder das Schnäppchen unter Schnappatmung leidet, kommen leichte Zweifel ob des günstigen Angebots ... Und plötzlich: Covid-19 #wir bleiben daheim.

Wenn Traumreisen und Dauerparty zum Albtraum werden

Traumreisen mit Dauerpartystimmung werden zum Albtraum; Kreuzfahrtschiffe mutieren schlagartig zu Krisen-Hotspots, wo es kein Entkommen gibt; Lieferungen aus den Nachbarländern sind auf einmal langwierig, kompliziert, unsicher oder gar nicht möglich; Beratung oder organisatorische Fragestellungen sind - wenn überhaupt erreichbar - in der digitalen Warteschleife.

Das Schönste am Unternehmertum ist, dass es die besten Blüten treibt, wenn der Eiswind bläst. Nach einer raschen Schockstarre lesen wir erste Berichte über innovative Kleinunternehmer, die sich zu regionalen Internetplattformen zusammenschließen. Online-Kaufmöglichkeiten entstehen an allen weiß-grünen und rot-weiß-roten Ecken und Enden. Man findet dort sogar Telefonnummern, die statt Chatbots zu echten Menschen führen, die noch dazu Ahnung vom Gefragten zu haben scheinen. Es wird tatsächlich wieder möglich, Zustellung UND Inbetriebnahme gewünschter Geräte individuell zu vereinbaren. Eine segensreiche Alternative zur sogenannten Corona-Methode der Etablierten: Anläuten und dann schnell aus dem Staub machen, bevor der Kunde aus der Tür blickt. Die Angst um Sicherheit und eine plötzlich wiederentdeckte Lebensqualität machen es möglich: Gefragt ist Regionalität – ob Klein- oder Großunternehmer – und das Wissen, damit heimische Betriebe zu unterstützen, Arbeitsplätze zu erhalten und so einen wesentlichen Anteil am Fortbestand der kleinräumigen, heimischen Wirtschaftslandschaft mit zu tragen. Das löst bei vielen Konsumenten Stolz und ein gutes Wir-Gefühl aus.

Viel Sympathie

Den Kleinen hat dieser Umstand zuletzt viel Sympathie beschert und auch das oft verloren gegangene Selbstbewusstsein wiedergegeben. Das ist im typisch österreichischen Jammertal der Emotionen („was soll ich als Kleiner schon ausrichten?“) fast vergangen. Die umfangreiche Berichterstattung über Sorgen, Nöte und kreative Gegensteuerungsmaßnahmen haben Unternehmer und Konsumenten einander wieder nähergebracht – und das nicht nur räumlich, sondern auch im wechselseitigen Verständnis und, Gott sei Dank, auch unter Einbindung moderner Technologien und Methoden.

Fakt ist nämlich, dass die seit Jahren angesprochene Digitalisierung auch bei den Kleinen und Traditionalisten schlagartig notwendige Realität wurde. Das ist ein Zukunftsschub für all jene, die sich bislang gar nicht, oder nur zögerlich mit dieser Art der Kommunikation auf Absatzkanälen auseinandergesetzt haben.

Emotion beim regionalen Einkauf

Auf der anderen Seite konnten die schon früh innovationsfreudigen Unternehmen nun definitiv beweisen, dass Videokonferenzen mit Kunden aus dem Home-Office funktionieren und Erfolg oder Misserfolg eines Auftrags der Arbeit und Qualität einzelner Personen zuzurechnen ist und nicht nur von Glanz und Gloria eines Innenstadt-Büros abhängig gemacht werden kann. Deshalb kann man den Kleinen auch durchaus den zweiwöchigen Startvorteil gönnen, den sie im Zuge des Hochfahrens genossen haben, der es den Konsumenten zumindest ermöglicht hat, die innerstädtische Geschäftslandschaft aus einem anderen Blickwinkel kennenzulernen.

Ausschlaggebend für die Erhaltung des momentan vorhandenen Regional-Hypes wird sein, ob Unternehmen ihre eben erst demonstrierte Flexibilität, Innovationskraft und Zuversicht noch weiterentwickeln können und ob die Konsumenten sich nachhaltig an die neuen Muster erinnern und weiterhin Beständigkeit und Regionalität bei ihrer Kaufentscheidung berücksichtigen. Die Auseinandersetzung mit dem neuen Gemeinschaftsgefühl und die weitere Vermarktung dieser Emotion beim regionalen Einkauf von Gütern und Dienstleistungen könnte eine neue Chance des gemeinsamen Erfolges der KMU-Landschaft begründen. It´s not the size of a ship – but the motion of the ocean … („Es ist nicht die Größe eines Schiffes – sondern die Bewegung des Ozeans“).

Regina Friedrich ist Unternehmerin und Eigentümerin der "Stilfrage Immobiliendesign GmbH" sowie Geschäftsführerin und Gesellschafterin der "Loft & Style Holding" in Graz. Die Betriebswirtin ist auch im Aufsichtsrat der FH Joanneum sowie der Zellstoff Pöls Ag vertreten.