Fast sieben Wochen standen weite Bereiche des Handels nahezu still. Wenn ab Samstag alle Geschäfte wieder bespielt werden, drängen sich zwei Fragen auf. Wie ist es um die Kauflust der Konsumenten bestellt? Und wie tief fallen die Preise, wenn Lagerbestände abverkauft werden müssen?

Bei aller Unsicherheit überwiegt im Handel die Freude darüber, dass das Leben in die Einkaufsstraßen zurückkehrt. Aber es werden nicht alle wieder aufsperren. Im Modehandel gibt es erste Insolvenzen. Tally Weijl, eine Schweizer Kette mit Filialen in Österreich, ringt um den Fortbestand. Lange vor Corona zwar stand das Modesegment unter Druck, nun aber kommt die Schnelllebigkeit der Branche erschwerend hinzu.

50 Prozent Rabatt als Untergrenze?

„Wir werden die größte Rabattschlacht sehen, die wir in Österreich je erlebt haben“, prophezeite bereits Harald Gutschi, Chef von Unito (Universal, Otto). Arno Pichler, Chef von Northland, sieht es ähnlich. 50 Prozent werde bei den Rabatten die Untergrenze sein.

So genau will sich Martin Wäg, Vorstandschef von Kastner & Öhler und Gigasport, nicht festlegen: „Es ist schwierig, einzuschätzen, wie das Geschäft in den ersten Wochen sein wird“, erklärt er. Das österreichische Handelshaus lebte sechs Wochen nur von der Onlinefiliale, am Samstag sind alle Standorte wieder offen.

Warnung vor "Rabattitis"

„Corona ist noch immer da, dazu kommt bei vielen die Sorge um den Arbeitsplatz. Dennoch ist wohl eine gewisse Lust da, einkaufen zu gehen“, sagt Wäg. Bei Angeboten sei der Modehandel gewiss vorne dabei, „denn es ist zuviel Ware auf dem Markt“. Als der Shutdown kam, waren die Lager für die Saison gefüllt, ein Gutteil davon sollte zum jetzigen Zeitpunkt schon verkauft sein – was aber nicht möglich war.

Martin Wäg, Vorstandschef Kastner & Öhler und Gigasport
Martin Wäg, Vorstandschef Kastner & Öhler und Gigasport © Juergen Fuchs

Gerhard Wohlmuth, Handelsobmann in der Steiermark, sieht in der sich abzeichnenden Rabattitis ein Problem: „Das mag Umsatz bringen, aber eben keinen Deckungsbeitrag, was die Existenzsorgen in vielen Handelsbereichen noch verschärfen könnte.“ Er hoffe sehr, dass „das Hinausschleudern von Ware nicht überhand nimmt“. Doch nicht nur der Modehandel lockt mit Nachlässen.

Preisdrücker

Mit „sehr spannenden Angeboten quer durch das gesamte Sortiment“ begeht etwa MediaMarkt/Saturn den Neustart am Samstag, wie eine Sprecherin des Unternehmens mitteilt. So lautet das Motto auf den Gutscheinheften des Marktführers: „Wiedersehen macht Freude“.

Im Möbelhandel kündigte Thomas Saliger von XXXLutz an, ab Samstag Gartenmöbel abzuverkaufen. Kika/Leiner drückt die Preise ebenfalls.
Dass es aktuell auch im Lebensmittelhandel eine stärkere Tendenz zu Aktionen gebe, bestätigt Spar-Sprecherin Nicole Berkmann indes nicht. „Das ist auf einem normalen Niveau.“

Schwacher Start

Wohlmuth geht davon aus, dass mit Samstag „wieder Bewegung in die Branche kommt.“ Dennoch sei die Erwartungshaltung gedämpft, der erste Öffnungsschritt vor zwei Wochen sei – abseits der Baumärkte – noch kein Befreiungsschlag für die Unternehmen gewesen, erklärt er: „Der Start ist ganz schwach ausgefallen, im Textilbereich liegt man bei einem Viertel des Normalumsatzes.“ Nach wie vor verliere der steirische Handel pro Woche 40 Millionen Euro an Umsatz. „Richtig anlaufen wird es wohl erst, wenn Mitte Mai auch die Gastronomie öffnet, das ist für Frequenz in Innenstädten, aber auch für einige Einkaufszentren ganz wichtig.“

Einkaufen sei auch mit „Emotionen und Stimmung“ verbunden, „die fehlt derzeit noch“, sagt Wohlmuth. Daran könne auch eine Rabattschlacht wohl nichts ändern. Sein Appell: „Es ist nun wichtiger denn je, dass Konsumenten bei regionalen Händlern einkaufen.“

"Ungleichgewicht und Unruhe verstärkt"

In Kärnten zeigt sich Nikolaus Gstättner, Handels-Spartengeschäftsführer in der Wirtschaftskammer, grundsätzlich ebenfalls erfreut, "dass jetzt alle Handelsunternehmen, also auch die größeren, am Samstag wieder aufsperren dürfen. Jeder weitere Tag hätte nicht nur die Umsatzeinbußen erhöht, sondern auch das Ungleichgewicht und die Unruhe in der Branche verstärkt“. Ein Wonnemonat werde der Mai für den Handel dennoch nicht. „Die Einkommensverluste der Konsumenten durch Arbeitsplatzverlust und Kurzarbeit sind groß. Zukunftsangst dämpft das Kaufverhalten.“ Braucht man im Homeoffice einen neuen Anzug? Will man die Sommerkleider mit Schutzmaske probieren? Vor allem der Modehandel steckt in einem Dilemma. Dass die Österreicher das gesparte Geld für den (Oster-)Urlaub, das sie nicht ausgegeben haben, in den Handel stecken, bleibt abzuwarten.

Die Gastronomie, ein wichtiger Frequenzbringer für den Handel, darf erst Mitte Mai öffnen. „Sie ist vor allem im innerstädtischen Bereich wichtig“, sagt Gstättner. In Kärnten hängt der Handel sehr stark mit dem Tourismus und mit Veranstaltungen und Events zusammen. „Nur mit dem heimischen Publikum ist es nicht zu schaffen“, prognostiziert Gstättner.

"Willkommen zurück!“

Die sich abzeichnende Rabattitis sei ein Problem. „Das bringt zwar Umsatz, aber keine Rendite und im Übrigen auch weniger Mehrwertsteuer für den Staat. Wir würden uns eine staatlich geregelte Abverkaufszeit wünschen, wie es sie früher gab“, sagt Gstättner. Dass es Rabatte geben wird, ist sicher. „Die Lager im Textilhandel müssen geleert werden“, sagt der Manager der City Arkaden in Klagenfurt, Ernst Hofbauer. Und die Händler brauchen Liquidität, um neue Ware einzukaufen.

Hofbauer und auch Atrio-Geschäftsführer Richard Oswald haben Security- und Reinigungspersonal aufgestockt, wiewohl sie an die Verlässlichkeit ihrer Kunden in Bezug auf Abstandsregeln glauben.
Sie freuen sich nicht nur mit den Konsumenten, sondern auch mit ihren Mietern. Oswald: „Die Freude der Handelsbediensteten ist riesengroß, wieder arbeiten zu dürfen. Ich habe den Eindruck, dass Arbeit gerade einen anderen Wert bekommt. Unser aktueller Slogan, den wir gerade plakatieren lautet: Willkommen zurück!“