Als „megaambitioniert, womöglich nicht ganz realistisch, aber dennoch richtig“ haben Sie im Vorjahr die Ziele der Klima- und Energiestrategie bezeichnet. Worauf haben Sie auf Basis dieser Ziele den Innovationsfokus im Verbund gelegt?

Wolfgang Anzengruber: Die Zielrichtung ist gut, aber ambitioniert. Wenn man bis 2030 die Stromerzeugung zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien schaffen will, dann muss man noch ordentlich darauflegen. Österreich kommt bei der erneuerbaren Stromproduktion derzeit auf rund 40 Terawattstunden, 25 bis 30 zusätzliche werden dafür nötig sein. Wir müssen also alle Bereiche vorantreiben und gleichzeitig immer effizienter werden. Wir wollen die Wasserkraft weiter stärken, setzen aber auch stark auf Fotovoltaik und zum Teil auf Windkraft. Auch Energiespeicher werden eine Schlüsselrolle spielen.

Sollen auch neue Wasserkraftwerke gebaut werden?

Ja. Neben Effizienzsteigerungen bei bestehenden Anlagen gibt es eine ganze Latte von neuen Projekten, die deshalb noch nicht gebaut wurden, weil sie nicht wirtschaftlich waren.

Das ändert sich?

Wenn sich die Rahmenbedingungen, wie die Strompreise, entsprechend entwickeln, kommen diese Projekte in die Wirtschaftlichkeit. Das sind reale Projekte, die aber eben erst gestartet werden, wenn die Wirtschaftlichkeit gegeben ist. Auch die rechtlichen Rahmenbedingungen sind entscheidend. Wir sind in Österreich relativ gut im Ziele setzen, aber oftmals schlecht, wenn es dann um die Realisierung geht.

Wie ist es um die Förderkulissen bestellt?

Ab 1. Jänner 2020 muss es ein neues Elektrizitätswirtschaftsgesetz, kurz Elwog, geben. Es geht auch um die Fragen, wie wird gefördert, wer wird gefördert, was wird gefördert? Ich bin insgesamt kein großer Freund von Förderungen, weil sie immer die Gefahr bergen, dass sie verzerrend wirken. Andererseits: Wenn der Preis noch nicht die Signale gibt, wird auch niemand bauen, weil unwirtschaftlich zu bauen ist nicht erlaubt, da würde ich mich strafbar machen. Es braucht also einen Mittelweg. Man muss einen Anreiz schaffen müssen, der aber eben nicht verzerrend wirkt.

Was wäre Ihr Ansatz?

Unser bevorzugtes Modell wären sogenannte variable Marktprämien, das heißt, solange das Signal des Marktes in Form entsprechender Preise noch nicht da ist, wird das Delta zwischen Technologiekosten und dem, was der Markt hergibt, gefördert. Das kann man dynamisch fördern. Jede Technologie sollte für seinen Beitrag zur Zielerfüllung einen reservierten Fördertopf haben und innerhalb der jeweiligen Technologien soll entsprechender Wettbewerb herrschen.

Stichwort Förderungen: Wie haben Sie das Gezerre rund um die Biomasseförderungen erlebt?

Wir werden in Zukunft auch Biomasse benötigen, ich will das nicht schlechtreden, aber eine gewisse Effizienz muss nun einmal in allen Segmenten erreicht werden. Wenn ich also Bedingungen festlege und sage, wir geben für x Jahre Förderungen, dann ist es problematisch, wenn ich nach diesem Zeitraum wieder eine Verlängerung fordere. Das sind nun einmal die Regeln des Spiels, das ist so, als würde ich ein Fußballspiel abhalten und dann nach 90 Minuten, weil ich nicht gewonnen habe, verlange, dass man doch noch 20 Minuten dranhängen soll.

Ein unwürdiges Schauspiel?

Es ist in Wahrheit ein kleines Beispiel, das zeigt, wie schwer wir uns hier mit Veränderungen tun. Jetzt wurde das im Bundesrat gekippt, es soll Einzelgesetze geben, wobei noch niemand wirklich weiß, wie das aussehen soll, mir fehlt da die Vorstellungskraft.
Auch im Verbund wurde vor Kurzem eine Erhöhung der Stromtarife (plus 9 Prozent) und der Gastarife (plus 7,6 Prozent) bekannt gegeben. Ist das nur die Ouvertüre, werden die Tarife weiter steigen?
Wenn am Markt nicht etwas Gravierendes passiert, dann würde ich sagen, dass es das wieder für eine längere Zeit gewesen ist. Wir hatten zuvor ja eine Serie an Preissenkungen in den letzten zehn Jahren. Dass sich das irgendwann auch wieder dreht, war auch klar. Ich glaube nicht, dass der Strompreis jetzt explodieren wird.

Gemeinsam mit der Voestalpine, der Papierindustrie und der Energiebörse EXAA haben Sie auf die Wiederherstellung der gemeinsamen Strompreiszone mit Deutschland geklagt. Wie sieht der Zeitplan dafür aus?

Wir haben die Klage eingebracht. Das Thema liegt jetzt bei den Gerichten, wie lange das dauert, lässt sich für uns noch nicht abschätzen. Es ist nicht mein Hauptgeschäft, Klagen einzureichen, ich scheue sie aber auch nicht, wenn sie angebracht sind. Ich kann nicht auf der einen Seite darüber jammern, aber auf der anderen Seite nichts dagegen unternehmen. Eigentlich wollen wir zurück auf den Verhandlungstisch und eine ordentliche Lösung, die für beide Länder passt, finden. Es ist nun einmal ein ökonomisches Grundgesetz, dass kleinere Energiemärkte höhere Preise nach sich ziehen. Das sehen wir ja jetzt. Die Industrie spürt das ganz massiv.

Der Verbund-Staatsanteil bleibt im Finanzministerium, verwaltet wird er jetzt aber von der neuen Staatsholding ÖBAG. Was erwarten Sie von dieser Konstruktion?

Es geht hier um die wichtigsten Industriebeteiligungen der Republik, die gleichzeitig die Schwergewichte der Wiener Börse sind. Was wir noch nicht wissen, ist, wie genau die ÖBAG arbeiten wird. Nur administrieren, möglichst hohe Dividenden herausholen oder eben auch, wie es in Aussicht gestellt wird, strategisch bei der Weiterentwicklung unterstützen? Ich hoffe, dass das so ist, das macht Sinn.

Ihr Aufsichtsratschef hat aufgrund vorzeitig das Weite gesucht, weil er steigenden Polit-Einfluss befürchtet. Erwarten Sie auch, dass künftig häufiger hineindirigiert wird?

Ich weiß, wir haben alles schon gehabt, derzeit glaube ich der Regierung ihre Bekenntnisse, dass sie das nicht so machen werden. Dass der Eigentümer mitentscheiden will, wer seine Unternehmensbeteiligungen führt, das ist nichts Außergewöhnliches.

Planen Sie heuer Zukäufe?

Es ist nichts in der Pipeline, wo wir sagen, da könnte morgen etwas über die Bühne gehen. Aber überall dort, wo wir uns verstärken wollen, ob Fotovoltaik, Speichertechnologien, Wasser- oder Windkraft oder Digitalisierung, hätten wir auch die Kraft und die Möglichkeit, zu wachsen bzw. etwas zu akquirieren. Verbund steht gut da, wir erzielen schöne Ergebnisse, der Cashflow ist gut, die Eigenkapitalquote hoch, die Verschuldung herunten. Wir hätten also den Spielraum. Aber wir haben auch keinen Geldverwendungsdruck.