Der langjährige Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Ludwig Scharinger, ist am Donnerstag im 77. Lebensjahr gestorben. Das teilte die Bank am Donnerstag mit. Scharinger war von 1985 bis 2012 Generaldirektor und Vorstandsvorsitzender der Raiffeisenlandesbank.
Scharinger war in seiner aktiven Zeit einer der einflussreichsten Führungskräfte in der österreichischen Raiffeisen-Gruppe. Ihm wurde damals zeitweise mehr Macht zugeschrieben als dem Landeshauptmann.
Ein Jahr nach seinem Rückzug von der Landesbank-Spitze hatte der Banker - er war unter anderem auch Vorsitzender der Österreichisch-Russischen Gesellschaft - bei einem Sturz nach einem Jagdausflug in Sibirien (Jekaterinburg) lebensgefährliche Kopfverletzungen erlitten, von denen er weitgehend genesen war. Trotzdem war er gesundheitlich angeschlagen.
"Umsichtige und prägende Persönlichkeit"
Der Tod von Scharinger hat am Donnerstag etliche Reaktionen aus der Politik. Sebastian Kurz (ÖVP) bedauerte, dass Österreich eine "umsichtige und prägende Persönlichkeit" verliere.
Scharinger habe sich "Zeit seines Lebens dafür eingesetzt, dass sich sein Heimatbundesland Oberösterreich vor allem als Wirtschaftsstandort gut entwickelt", so Kurz in einer Aussendung. Als "innovativer, umsichtiger und bodenständiger Manager" habe er "stets die nachhaltige Entwicklung und die Sicherung des Wohlstandes in den Mittelpunkt gestellt", betonte der Kanzler. Ähnlich äußerte sich auch Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP), die den Banker als "große und sehr vielfältige Persönlichkeit, die sich unermüdlich für die Stärkung unseres Wirtschaftsstandortes eingesetzt hat" lobte. Scharinger habe den österreichischen Raiffeisensektor wesentlich geprägt, stellte die Wirtschaftsministerin fest.
Scharinger zähle "zu den Autoren der ökonomischen Erfolgsgeschichte unseres Landes", so Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP) in einer Aussendung. "Er gehörte zu jenen, die das Gesicht dieses Landes mitgestaltet haben, indem sie dem Neuen Tür und Tor geöffnet haben." Zudem habe er "Verantwortung für das Ganze übernommen", indem die RLB in der Wirtschaftskrise 2008 und 2009 viele Betriebe in Oberösterreich begleitet habe. Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) zeigte sich ebenfalls betroffen und lobte Scharinger als "einen der erfolgreichsten Manager in Oberösterreich" und begnadeten Netzwerker.
Betroffen zeigte sich auch die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ). "Ludwig Scharinger beherrschte das Finanzwesen und die Wirtschaftspolitik wie nur Wenige und war in den ÖBB ein wichtiger Berater", so Bures, die Scharinger 2012 als damalige Infrastrukturministerin in den ÖBB-Aufsichtsrat holte.
Spitzname "Luigi Monetti"
Ludwig Scharinger wurde am 19. Oktober 1942 als ältestes von sieben Kindern in Arnreit (Bezirk Rohrbach) im Mühlviertel geboren. Er absolvierte zunächst die landwirtschaftliche Fachschule in Wieselburg und studierte dann an der Linzer Johannes Kepler Universität (JKU) Betriebs- und Sozialwirtschaft.
Seine Bank-Karriere war nicht von Beginn an vorgezeichnet, ursprünglich sollte er den elterlichen Hof übernehmen. Ein Verkehrsunfall während der Bundesheerzeit, bei dem er sich den Fuß verletzte, machte diese Pläne aber zunichte - und katapultierte ihn in die Finanzwelt unter dem Giebelkreuz, wo er sich wegen seiner Nase für Geschäfte und seiner gleichnamigen Musikgruppe den Spitznamen "Luigi Monetti" erwarb. Bei Geldsachen gelang es ihm stets, komplizierte Dinge in bewusst einfacher Sprache zu erklären.
1972 trat er in die damalige Raiffeisenzentralkasse Oberösterreich ein, 1985 wurde er Generaldirektor. Bis zu seinem Pensionsantritt 2012 leitete er die Geschicke der Bank. Unter seiner Führung hat sie sich von der Kassa für die Landwirte zur stärksten Regionalbank Österreichs und mit internationalen Geschäftsverbindungen gemausert. Sein Nachfolger Heinrich Schaller betonte heute in einer Aussendung, dass unter Scharinger "die Raiffeisenlandesbank Oberösterreich eine außergewöhnliche Entwicklung genommen" habe. Im politischen Geschehen galt er als graue Eminenz der ÖVP-Sphäre und als "heimlicher Landeshauptmann von Oberösterreich", der in vielen Bereichen mitmischte und mit dem roten Linzer Bürgermeister Franz Dobusch genauso gut konnte wie mit dem schwarzen Landeshauptmann Josef Pühringer. Scharinger war zudem tschechischer Honorarkonsul und bis 2012 Vorsitzender des Universitätsrates der Linzer Universität.
Fixer Bestandteil des Wirtschafts- und Gesellschaftslebens
Privat war der nach Eigendefinition "gläubige Mensch" Scharinger verheiratet, mit seiner Frau Anneliese hatte er vier Töchter. Der begeisterte Jäger, ausgefuchste Tarockierer und passionierte Trompetenspieler war lange Zeit ein fixer Bestandteil des oberösterreichischen Wirtschafts- und Gesellschaftslebens.
Still um ihn wurde es allerdings nach einem Unfall in Russland 2013, von dem sich der damals 70-Jährige nie mehr wirklich erholte. Scharingers Gesundheitszustand wirkte sich auch auf den Grasser-Prozess aus: Der Ex-RLB-Boss befand sich auch unter den 15 Angeklagten im Verfahren um Korruptionsverdacht bei Bundeswohnungsprivatisierung und Linzer Terminal Tower. Er war allerdings nicht verhandlungsfähig, was ihm von einem gerichtlichen Gutachter attestiert worden war. In den Vernehmungen der anderen Angeklagten wurde immer wieder die Rolle Scharingers in der Affäre erörtert. Er wurde dabei unter anderem als "Alphatier" beschrieben, dessen Linzer Verbindungen nützlich gewesen seien.