Laut PWC-Studie nutzt in Deutschland schon jeder zweite Bauer digitale Technologien. Verheißen Smart Farming und Precicion Farming mit Drohnen, Bodensensoren und autonomen Ackergeräten Österreichs Bauern bessere Zukunft?
MATTHIAS HORX: Sicher findet der Einzug des Computers in den Bauernhof statt, vorrangig für digitale Organisations- und Vermarktungssysteme, Stalltechniken für Tierwohl und Medikamentation. Hochdigitalisierung mit autonomen Erntemaschinen rechnet sich nur auf Großflächen, dafür ist Österreichs kleingliedrige Landwirtschaft eher nicht prädestiniert.
Eine Agrarindustrie 4.0, die laut ATKearney-Studie eine Milliarde Menschen mehr ernähren kann, wäre die falsche Strategie.
Im Robotermaßstab setzt das eine Landwirtschaft wie in Texas oder Ostdeutschland voraus. Österreich muss auch nicht die Nahrungsmittelversorgung der Welt vornehmen, sondern den Weg der qualitativen Landwirtschaft gehen. Global gibt es eine evolutionäre Differenzierung der Landwirtschaft: Intensivierung, agrarische Rohstoffe zum Teil für Energieversorgung, sowie Bio Plus als nächste Generation der Bio-Landwirtschaft.
Was kennzeichnet Bio Plus?
Der Zusammenhang von Gesundheit und der Beziehung zwischen Landschaft, Tieren, Landwirtschaft und den Kunden und seiner Ernährung.
Erfüllt Bio das nicht schon?
Die Nischen für Spezialitäten werden sich stark ausdehnen. Die Entfremdung der zivilisatorischen Welt mit den Nahrungsmitteln hat uns in Krisen geführt. Der Fleischkonsum ist heute an einem Zenit angelangt und wird massiv fallen. In den USA gibt es bereits Fleischburger aus Pflanzen, die man von echten Fleischburgern nicht mehr unterscheiden kann.
Was sollte bei uns gegen ein saftiges echtes Rindschnitzel aus Almweidehaltung sprechen?
Da liegen wir richtig beim Kontratrend. Qualität, Spezialitäten, Direktvermarktung und Erlebnislandwirtschaft werden immer wichtiger. Bei uns steht Nahrung im Mittelpunkt, nicht globale Ernährung. Wir haben global auch kein Ernährungs-, sondern ein Verteilungsproblem. Wir können die Menschheit locker ernähren, aber in den entwickelten Ländern werfen wir 40 Prozent der Lebensmittel weg. 1,8 Milliarden Menschen sind übergewichtig.
Yuval Noah Harari beschreibt in "Homo Deus", dass an Übergewicht mehr Menschen vorzeitig sterben, als durch Hunger.
Bei uns stellt sich die Gesundheitsfrage. Die Mengenfrage geht man auf riesigen Flächen, zum Beispiel in arabischen Ländern, mit Meerwasser-Beregnung in Weiten der Wüste an.
Oder gleich auf dem Meer. Die italienische Oceanreef Group zieht in "Nemo´s Garden" Pflanzen unter Wasser. Das spanische Start-up Smart Floating Farms baut auf Wasseroberflächen Gemüse an, wie seit Jahrhunderten Bauern am Inle See im Burma.
Ja, in verdichteten Regionen nimmt der Gemüseanbau neue Formen an. Aber das ernährt, so wie die Algenproduktion, nicht die Bevölkerung.
Im Indoor-Grow-Kit von Ikea kann jeder im eigenen Wohnzimmer Gemüse züchten.
Das hat mit der Nähe der Menschen zur Natur zu tun. Landwirtschaft ist viel mehr, als eine industrielle Produktionsweise. Die Landwirte werden wieder mehr Landschaftsgestalter, weil wir nicht unbedingt eine intensivierte Landwirtschaft gebrauchen können. Es wird Renaturisierung von Flächen für wieder mehr Kühe auf dem Feld geben. Da erleben wir eine Renaissance alter Kulturformen.
Urban Veritkal Farming allerdings verlagert hocheffizienten Anbau in ganze Hochhäuser von Gewächsanlagen mitten in der Stadt – oder in die Londoner U-Bahn 33 Meter unter die Erde.
Damit geht auch die Dislozierung von Anbausorten einher. Island versucht gerade, seine Obstproduktion autonom zu stellen, da fangen sie gerade mit Gewächshausanbau von Bananen an, oder von Tomaten in Polarzonen – mit Geothermie. Ich selbst züchte zu Hause zum Beispiel Oka (Anm: kartoffelartige Frucht aus den Anden). Es wird generell eine Vielfältigkeit in der Landwirtschaft geben. Der Standardbauer mit 30 Kühen wird zur Minderheit.
Wie überstehen die den Preiskampf mit der Agroindustrie?
Mit Spezialitäten. Und indem die Landwirtschaft ihre Technik- und Verbandsgläubigkeit überwindet, Bauern mutiger und autonomer mehr Experimente wagen und in direkte Beziehung zum Kunden treten. Die Landwirtschaft wird sich aufspalten in zwei Märkte. Das eine sind Beziehungsmärkte, in denen nicht der Preis, sondern die Qualität eine Rolle spielt. Das verstehen immer mehr Konsumenten. Das andere ist der industrialisierte Sektor, der mit Rohstoffen bis in die Kosmetik und Energiegewinnung geht, oder mit Züchtung von Eiweiß in Großlaboratorien Massentierhaltung reduzieren wird. Da zählt nur der Preis.
Das Nachhaltigkeitsministerium richtet eine Innovation Farm als Muster-Bauernhof ein und in Wieselburg einen Digitalschwerpunkt. Um die Ausbildung kommt die Landwirtschaft nicht herum.
Digitalisierung ist für die Managementsysteme auf dem Bauernhof wichtig. Die Agrarbranche hat aber ein darüber hinausgehendes Beziehungsthema als Herausforderung, jenes vom Erzeuger zum Nutzer, von der Natur zum Konsumenten. In Deutschland gibt es verstädterte Gesellschaften, wo die Kinder nicht mehr wissen, wie eine Kuh aussieht. Aber da ist Österreich besser. Hier hat fast jedes Ei ein Qualitätsmerkmal aufzuweisen. Unsere These ist, dass die Gegentrends oft die größeren Trends sind.
Adolf Winkler