Ein sich zuspitzender Handelskonflikt mit den USA und ein unklarer Zinsausblick: Experten erwarten, dass EZB-Chef Mario Draghi am Donnerstag nach der Ratssitzung der Notenbank in Frankfurt noch stärker die Sorgen vor einem eskalierenden Zollstreit hervorheben wird. Zumindest manche Ökonomen halten es zudem für möglich, dass der Italiener den Zinsausblick konkreter fasst.
Für wahrscheinlicher erachten es allerdings die meisten Experten, dass die EZB flexibel bleiben möchte und deshalb exaktere Formulierungen vermeiden wird. Da die EZB-Führung bereits im Juni die Weichen neu gestellt und das Auslaufen ihrer billionenschweren Anleihenkäufe zum Jahresende angekündigt hat, dürften größere Beschlüsse diesmal ausbleiben. An den Leitzinsen, die bereits seit März 2016 auf dem Rekordtief von 0,0 Prozent liegen, werden die Währungshüter wohl nicht rütteln.
Risikofaktor Zölle
Die letzte Sitzung der EZB vor der Sommerpause dürfte überschattet werden vom Handelskonflikt mit den USA. Sollte sich dieser zu einer Spirale von immer neuen Zöllen und Gegenzöllen hochschaukeln, könnte sich die Konjunktur in Europa merklich eintrüben. Für Draghi käme das zur Unzeit, da die Euro-Wächter gerade auf eine weniger konjunkturstützende Geldpolitik umschwenken. "Die Warnung vor einem ausufernden Handelsstreit könnte daher womöglich etwas stärker ausfallen, ohne dabei das Wort Automobilzölle zu erwähnen", sagt Chefvolkswirt Holger Schmieding von der Berenberg Bank.
Sonderzölle auf Autos würden insbesondere Deutschland empfindlich treffen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker will am Mittwoch in Washington versuchen, US-Präsident Donald Trump zum Umlenken zu bewegen.
Wann steigen Zinsen
Draghi werde sich ferner kritischen Fragen zum Zinsausblick stellen müssen, meint Daniel Hartmann, Chefvolkswirt der Schweizer Bantleon Bank. So habe zuletzt verwundert, dass die Europäische Zentralbank (EZB) im Juni nachträglich Übersetzungen in manche Sprachen abgeändert habe. Die Euro-Wächter hatten angekündigt, ihre Schlüsselzinsen noch bis mindestens "über den Sommer" 2019 hinaus auf dem aktuellen Niveau zu halten. So heißt es nun in der deutschen Fassung des Ausblicks. Einen zuvor noch enthaltenen Verweis auf das Ende des Sommers 2019 hatte die EZB gestrichen.
Aus dem Protokoll der Juni-Zinssitzung ist nicht zu entnehmen, ob die Ratsmitglieder lange über die genaue Formulierung gerungen haben. "Aufgrund der zu erwartenden Marktbedeutung erscheint dies fahrlässig", sagt BayernLB-Analyst Stefan Kipar. Insidern zufolge gibt es unter den Notenbankern ganz unterschiedliche Auffassungen, ob mit der aktuellen Fassung eine Zinserhöhung bereits im Juli 2019 erfolgen könnte oder erst danach im September oder Oktober. Die Volkswirte der Danske Bank gehen davon aus, dass die EZB ihren Ausblick erst im nächsten Jahr präziser fassen wird.
Investoren wollen von Draghi zudem wissen, wie die Notenbank künftig die Wiederanlage ihrer Einnahmen aus den Anleihenkäufen gestalten wird. Insidern zufolge gibt es Überlegungen, in Zukunft die Gelder aus fällig werdenden Papieren etwas stärker in länger laufende Titel zu reinvestieren. "Ein solches Vorgehen bei der Wiederanlage würde dazu beitragen, dass die längerfristigen Renditen nachhaltig auf niedrigem Niveau verankert blieben", glaubt Zinsexperte Christian Reicherter von der DZ Bank. Viele Ökonomen bezweifeln aber, dass sich die EZB bereits diese Woche stärker in die Karten schauen lässt.