Seit mehr als 40 Jahren gibt es die G-7 führender westlicher Wirtschaftsmächte - anfangs noch als G-6, zwischenzeitlich als G-8. Seit letztem Jahr wird sie als G-6 plus 1 verspottet, wegen Trump. Kommt es diesmal noch schlimmer?

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau würde am liebsten ein eher unverfängliches Thema in den Mittelpunkt des G-7-Gipfels im kanadischen La Malbaie stellen: Geschlechtergerechtigkeit. Dass dieses Vorhaben scheitern wird, kann man wohl jetzt schon sicher sagen. Zu lang ist die Liste der Streitpunkte, die US-Präsident Donald Trump mit den Staats- und Regierungschefs aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada abzuarbeiten hat.

Wie sieht die offizielle Tagesordnung aus?

Trudeau spricht von einer "fortschrittlichen Agenda": Neben Gleichberechtigung von Männern und Frauen hat er folgende weitere Themen in den Mittelpunkt der G-7-Präsidentschaft seines Landes gestellt: Wachstum für alle, Vorbereitung auf die Jobs der Zukunft, Kampf gegen den Klimawandel, saubere Meere und saubere Energie sowie die Erschaffung einer friedlicheren und sichereren Welt.

Welche Auswirkungen hat der Handelsstreit zwischen EU und USA für den Gipfel?

Große. Wie zornig Europäer und Kanadier auf Washington sind, konnte gerade beim Treffen der G-7-Finanzminister besichtigt werden. Der Konflikt zwischen den USA und traditionellen Partnern hat bei vielen Investoren die Furcht vor einem weltweiten Handelskrieg aufkommen lassen. Auch Gastgeber Justin Trudeau bereitet sich auf Wortgefechte mit Trump vor. Es werde "sehr, sehr offene Gespräche" geben. Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte zuvor gesagt, sie erwarte "schwierige Diskussionen" mit Trump bei dem zweitägigen Treffen der sieben Staatenlenker.

Trumps Wirtschaftsberater Larry Kudlow sagte am Mittwoch, der Präsident werde bei seiner harten Linie bleiben. "Er lässt nicht locker." Er werde mit den anderen Staats- und Regierungschefs über die Streitpunkte sprechen.

Wird die EU eine Digitalsteuer für Google, Facebook und Amazon in Aussicht stellen?

Ein interessanter Aspekt ist, dass die USA eigentlich nur in der Old Economy ein großes Defizit haben. Zählt man digitale Dienstleistungen dazu, schaut das ganz anders aus, sagte Gabriel Felbermayr vom Ifo-Institut im Ö1-"Morgenjournal".

Die EU habe bereits Instrumente, um hier Druck auszuüben, sagte Felbermayr im Vorfeld des G-7-Treffens in Quebec. "Die Europäische Kommission hat ja eine digitale Umsatzsteuer vorgeschlagen von drei Prozent. Sie richtet sich auch gegen diese Digitalkonzerne. Es sollen nur Großunternehmen diese Abgabe bezahlen." Das gefalle dem US-Digitalkonzern Google gar nicht. Gut durchdacht findet der Experte die Digital-Sales-Tax aber nicht. Als Verhandlungsmasse tauge sie aber schon.

Wie stehen US-Politiker zu den Strafzöllen?

Doch die Strafzölle der USA werden nicht nur von den internationalen Partnern kritisiert. Mehrere republikanische US-Senatoren haben sich am Mittwoch gegen die von US-Präsident Donald Trump verhängten Strafzölle gewendet und ein Gesetz vorgeschlagen, welches die Zustimmung des Kongresses nötig machen würde.

Das von sechs Republikanern und vier Demokraten unterstützte Gesetzesvorhaben würde den Präsidenten verpflichten, jeden Vorschlag zur Verhängung von Importzöllen im Interesse der nationalen Sicherheit dem Kongress vorzulegen. Trump habe in einem Telefonat seine Missbilligung des Vorhabens ausgedrückt, sagte der republikanische Senator Bob Corker dem Sender CNN. "Er ist nicht glücklich über diese Initiative", sagte Corker.

Ist eine Annäherung zwischen Europäern und USA im Streit über das Atomabkommen mit dem Iran zu erwarten?

Wohl kaum. Trump hat den US-Rückzug aus dem Abkommen angeordnet, weil er es für ungeeignet hält, um dauerhaft eine atomare Bewaffnung des Irans zu verhindern. Wenn er den Europäern jetzt ermöglichen würde, den Deal auch ohne US-Beteiligung am Leben zu halten, würde er seinem Ziel eines neuen Abkommens nicht näher kommen. Die Europäer dürften dennoch weiter offensiv gegen die ihrer Ansicht nach völlig falsche Politik Trumps protestieren und vor allem fordern, dass EU-Firmen, die mit dem Iran Geschäfte machen, nicht durch US-Sanktionen bedroht werden. Die EU wird das Atomabkommen nämlich wohl nur retten können, wenn sie europäische Unternehmen dazu bringt, mit dem Iran weiter Handel zu betreiben. Verzicht auf eine Atombombe gegen Ende der wirtschaftlichen Isolierung, lautet schließlich der Deal.

Welche Rolle wird der bevorstehende Nordkorea-Gipfel mit Kim und Trump in Singapur spielen?

Der Atomkonflikt mit Nordkorea wird eine große Rolle spielen. Nur drei Tage nach dem G-7-Gipfel wollen der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un und Trump in der asiatischen Metropole zusammentreffen. Von der historischen Begegnung erhoffen sich die G-7-Staaten nicht nur eine Entschärfung einer der gefährlichsten Krisen der Welt, sondern auch eine langfristige Friedenslösung für die koreanische Halbinsel. Besonderes Augenmerk dürfte auf Äußerungen Trumps gelegt werden, wie er sich vor dem heiklen Gipfel positioniert. Bei allen Differenzen in anderen Fragen dürften ihm die G-7-Partner in diesem Konflikt den Rücken stärken.

Wird überhaupt noch über das Hauptthema des letzten Jahres, den Klimaschutz, geredet?

Es ist stiller geworden um den Klimaschutz. Aber mit dem G-7-Gipfel in La Malbaie rückt das Thema wieder in den Vordergrund. So wie der vor einem Jahr beim G-7-Gipfel im italienischen Taormina unmittelbar bevorstehende Ausstieg Trumps aus dem Pariser Klimaschutzabkommen für Kontroversen sorgte, gehören die Differenzen auch jetzt zu den strittigen Punkten, an denen diesmal sogar ein gemeinsames Kommunique scheitern könnte. Es war vor Beginn des Gipfels in Kanada noch völlig offen, ob das Klimaschutzabkommen darin überhaupt namentlich erwähnt werden kann. Dabei ist der Kampf gegen die Erderwärmung eines der Hauptanliegen der kanadischen G-7-Präsidentschaft.

Wird es am Ende des Gipfels wieder 6 zu 1 stehen - Trump gegen den Rest der Welt?

Es ist ja nicht so, dass in diesem sehr westlich gebauten, irgendwie etwas aus der Zeit gefallenen Format die ganze Welt vertreten wäre - siehe China oder Russland oder Indien. Aber Trump legt auf Multilateralismus ohnedies keinen Wert. Er denkt Außenpolitik als Beziehungen zwischen Anführern, und er dürfte auch in Quebec versuchen, bilaterale Gassen in den großen Block zu schneiden. Für die Europäer gilt Trumps Isolationismus zwar als dringender Weckruf für eigenes Handeln. Aber wie, dafür gibt es noch keine Einigkeit - und militärisch bleibt Europa auf die USA angewiesen. Das weiß auch Trump.