Die neue Regierung steht vor dem Start, die Koalitionsverhandlungen laufen auf Hochtouren. Nun melden sich auch die Notare zu Wort - bei seit Jahren angestrebten Reformen hofft die Notariatskammer künftig auf wesentlich mehr Dynamik. Die Notare wollen sämtliche Gebühren auf schriftliche Verträge abschaffen sowie Verlassenschaftsverfahren und GmbH-Gründungen digital abwickeln können.

"Auch in der Juristerei bleibt nicht alles stehen - im Gegenteil, manchmal bleibt etwas stecken", sagte der Präsident der Österreichischen Notariatskammer, Ludwig Bittner, in Anspielung auf eine seiner Meinung nach längst fällige Modernisierung in einigen Rechtsbereichen zur APA. Der Stellenwert der Justiz sei von der letzten Regierung "nicht so gesehen worden, wie man ihn sehen sollte". Wichtige Teile der Rechtsordnung gehörten modernisiert, so sein dringender Appell.

Kein Geld, nur Ärger

Den Notaren geht es laut Bittner hier zunächst vor allem um die Bereiche Unternehmensrecht, Immobilienrecht und Erbrecht. Gebühren auf schriftliche Verträge gehörten generell abgeschafft. "Das Gebührengesetz - das Papiersteuergesetz aus Zeiten der Maria Theresia - bringt kein Geld mehr, nur Ärger", meinte Bittner. Als Schritt in die richtige Richtung wertete er die bereits fixierte Abschaffung der Vergebührung privater Mietverträge. Unternehmen würden aber beispielsweise weiterhin stark belastet - auch für sie müssten die Gebühren weg.

Das gelte ebenso für die Gebühren in Höhe von zwei Prozent des Vermögenswertes bei außergerichtlichen Vereinbarungen zwischen Eheleuten betreffend des Güterrechts im Falle einer Scheidung. Der Tribut an den Fiskus - meist mindestens einige hundert Euro - führe nur dazu, dass Verheiratete diesbezüglich lieber gar keine Einigung treffen. Im Falle einer Trennung würde eine beim Notar geregelte Gütertrennung die Gerichte aber spürbar entlasten und den Parteien mehr Rechtssicherheit bzw. eine raschere Durchsetzung ihres Willens bringen.

Hoher Verwaltungsaufwand

"Das Gebührengesetz ist einfach nicht mehr zeitgemäß", unterstrich Bittner seine Ansicht. Nach dem Wegfall der Steuern der Wohnungsmietverträge gehe es hier in Summe um Staatseinnahmen in Höhe von rund 140 Mio. Euro, die aber zu einem Gutteil vom Verwaltungsaufwand wieder verschlungen würden. "Dieses Gesetz gibt es in vielen Ländern nicht - dessen Abschaffung ist eine langjährige Forderung der Rechtsberufe", betonte der Branchenvertreter der Notare.

Ein weiterer Punkt mit großem Reformbedarf, der jeden Bürger über kurz oder lang betrifft, ist laut Bittner die Abwicklung von Verlassenschaften. Einen Nachholbedarf ortet er hier beispielsweise bei der Kontenöffnung. Auch der Gerichtskommissär soll laut Notariatskammer Einsicht ins Kontenregister bekommen - derzeit dürfe dort nur die Finanz Nachschau halten. "Das Sparbuch ist eine heilige Kuh, aber das Versteck auch", illustrierte Bittner das Problem, das Hinterbliebene vielfach haben.

Bei der Digitalisierung des Grundbuches sei bereits ein "sehr hoher technischer Standard erreicht worden, aber aus Geldmangel stocken wichtige Vorhaben", merkte der Kammerpräsident weiters an. Bei der Übernahme von Datensätzen der Notare komme es zu Verzögerungen. "Es wird immer noch abgetippt", so Bittner. Das System hake etwa bei den sogenannten Bauwerkskarteien für Gebäude auf fremden Grund. Davon betroffen sind vom Kleingartenhaus bis zur Fabrikshalle Bauwerke, die jemand anderem gehören als das Grundstück, auf dem sie stehen. "Diese Karteien und zugehörigen Urkunden werden nach wie vor in Papierform geführt." Auf den Grundbuchsgerichten rücke man hier noch mit "Holzkisterln" an. Das gehöre dringend digitalisiert.

Digitale Firmengründung

Mit Anfang 2018 wäre auch das System der digitalen GmbH-Gründung mit dem Notar einsatzfähig - entsprechende Pilotversuche seien über den Sommer in nicht ganz 20 der österreichweit 514 Notariatskanzleien erfolgreich verlaufen. Allerdings fehlt noch die Rechtsgrundlage für ein "Roll-out", dabei handle es sich aber nur um "eine geringfügige Erweiterung der Notariatsordnung" seitens des Justizministeriums.

"Der Wirtschaftsstandort würde von dieser Erleichterung sehr profitieren", so Bittner. Die heimischen Notare sind mit ihrem System auch bereits in Brüssel vorstellig geworden. "Wir hoffen, dass dieses Modell in ganz Europa Anklang findet", erklärte der Branchenvertreter. In Österreich steht den Notaren bei Unternehmensgründungen ab 1. Jänner 2018 jedenfalls Konkurrenz für ihr Geschäft ins Haus. Denn mit dem Jahreswechsel geht das Unternehmer-Serviceportal (USP) der Republik ans Netz, das die Gründung von Ein-Personen-Gesellschaften vereinfachen soll. Bei der Identifizierung wirken früheren Angaben der Notariatskammer zufolge die UniCredit Bank Austria und Raiffeisen mit. Notar wird da keiner gebraucht. In Österreich werden jährlich etwa 11.000 GmbH gegründet.