Volkswagen schweigt weiter zu den Kartellvorwürfen gegen deutsche Autobauer. Austausch zwischen den Konzernen zu technischen Fragen sei aber "weltweit üblich", teilte das Unternehmen am Mittwoch nach einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung mit. Davon profitierten auch Kunden, "weil innovative Lösungen schneller verfügbar und preiswerter sind als aufwendigere Einzelentwicklungen".
VW verwies etwa auf einheitliche Ladesteckdosen für Elektroautos. Auch von Daimler gab es keine konkrete Äußerung zu den Vorwürfen.
Die EU-Kommission prüft derzeit Informationen, wonach sich VW, BMW, Daimler, Audi und Porsche in verschiedenen Fragen mutmaßlich abgesprochen haben sollen. Daimler-Chef Dieter Zetsche meinte in einem online veröffentlichten Statement: "Die Autoindustrie macht derzeit Schlagzeilen - und keine guten." Viele fragten sich, was an den Vorwürfen dran sei, und wünschten sich Klarheit. "Wir sind aber gut beraten, uns nicht an Spekulationen zu beteiligen", bekräftigte der Manager. Auch beim "Diesel-Gipfel" in der kommenden Woche in Berlin dürfte der Kartellverdacht ein Thema sein.
"Vollumfänglich informiert halten"
Am Mittwochabend beschäftigte sich der VW-Aufsichtsrat damit. Einige Kontrolleure hatten zuvor angegeben, von den Vorwürfen aus den Medien erfahren zu haben. "Die Information gegenüber dem Aufsichtsrat ist offen diskutiert worden", teilte VW mit. "Der Vorstand wird den Aufsichtsrat in entsprechenden Angelegenheiten vollumfänglich informiert halten."
Darüber seien sich die Beteiligten einig, betonte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil. Er ist wie Wirtschaftsminister Olaf Lies (beide SPD) sowie VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh Mitglied des Aufsichtsgremiums. Der Konzern erklärte auch, kooperativ und vertrauensvoll mit den Behörden zusammenzuarbeiten.
"Sorgen und Ängste ausgelöst"
Die öffentliche Diskussion der vergangenen Tage habe Sorgen und Ängste ausgelöst, sagte Weil. "Das gilt insbesondere auch für Arbeitnehmer, die um ihren Arbeitsplatz fürchten." Bei den Vorwürfen gehe es um einen komplizierten Sachverhalt mit einer Vielzahl von technischen Details. "Am Ende steht jeweils eine Kernfrage: Wo handelt es sich noch um einen erlaubten und wettbewerbsneutralen Austausch von Automobilunternehmen, und wo ist die Grenze zu einer unerlaubten und den Wettbewerb behindernden Absprache überschritten?" Dies könnten nur die Kartellbehörden beantworten. Er rief die EU-Kommission zu einer zügigen Klärung auf.
Ein Sprecher des VW-Konzernbetriebsrats betonte, der Vorstand sei mit der auf dem Tisch liegenden Fragestellung verantwortungsvoll umgegangen: "So wurden die infrage stehenden Treffen - nachdem der Vorstand Kenntnis von kartellrechtlichen Bedenken erlangt hatte - umfassend durch die interne Revision und das Rechtswesen aufgearbeitet und die zuständigen Wettbewerbsbehörden auf deutscher und europäischer Ebene über mögliche Bedenken bei Einzelfällen informiert."
Weil betonte, die Industrie müsse Vertrauen zurückgewinnen. "Eine neue Chance dazu besteht zum Beispiel in der nächsten Woche, wenn in Berlin über die Zukunft der Dieselmotoren gesprochen wird. Ich gehe davon aus, und ich erwarte es auch, dass Volkswagen in dieser Diskussion eine führende und konstruktive Rolle spielen wird."
Etappensieg für Volkswagen
Im Streit mit der Staatsanwaltschaft über die Beschlagnahme geheimer Unterlagen zum Dieselskandal hat Volkswagen unterdessen einen Etappensieg eingefahren. Das deutsche Bundesverfassungsgericht untersagte der Münchner Ermittlungsbehörde am Mittwoch vorerst die Auswertung der bei der Durchsuchung der von VW beauftragten Anwaltskanzlei Jones Day beschlagnahmten Dokumente.
Dazu erließ das Gericht eine einstweilige Anordnung, in der die Staatsanwaltschaft angewiesen wird, die sichergestellten Unterlagen und Daten beim Amtsgericht München zu hinterlegen. Die Entscheidung der Kammer beruhe auf einer Folgenabwägung, teilte das Gericht mit.
Im Mai hatte sich das oberste Gericht noch geweigert, eine solche Anordnung zu erlassen. Die Richter argumentierten damals, Volkswagen habe den Rechtsweg noch nicht voll ausgeschöpft. Die Wolfsburger hatten die US-Kanzlei Jones Day im Herbst 2015 damit beauftragt, die Hintergründe des Dieselskandals zu ermitteln und zunächst angekündigt, die Ergebnisse bekannt zu geben. Schließlich veröffentlichte der Autobauer aber lediglich eine zusammenfassende Sammlung von Fakten. Volkswagen argumentiert seither, mit diesem "Statement of Facts" erübrige sich ein separater Bericht. Aktionäre werfen Volkswagen deshalb Verschleierung vor.