Flixbus hat 30 Millionen, bald 40 Millionen, jährliche Fahrgäste und 200.000 tägliche Verbindungen. Wie groß sind denn Ihre Serverräume mittlerweile?
Danuel Krauss: Server haben wir fast gar keine. Wir setzen zu 99 Prozent auf Cloud-Dienste, arbeiten mit Amazon oder Microsoft zusammen.
Hätten Sie dieses Wachstum auf eigener Hardware überhaupt schaffen können?
Es wäre aufwendiger geworden. Es gibt Großunternehmen, wie Netflix, die wieder zurückkehren und sich eigene Rechenzentren anschaffen. Wenn du es von Klein bis Groß selber machst, musst du halt dazwischen sehr viel neue Hardware kaufen. Du musst Dinge machen, die keinen Mehrwert machen. Da bietet die Cloud Chancen, dass du das nicht machen musst. Du kannst dich darauf konzentrieren, coole Software zu bauen.
Wie viele Leute bauen bei Flixbus Software?
Wir sind knapp 150 Techies, bald sollen es 200 werden.
Bei insgesamt 1000 Mitarbeitern?
Der Prozentsatz der Techies ist bei uns – im Vergleich mit ÖBB, Deutscher Bahn oder Lufthansa – natürlich deutlich höher. Weil wir daran glauben, dass man mit Technologie Geschwindigkeit erreichen kann.
Hat die jüngste Übernahme der ÖBB-Bustochter Hellö nur Einfluss auf die Taktung, oder kommen nun auch neue Destinationen ins österreichische Flixbus-Netz?
Insgesamt, auch unabhängig von der Übernahme, kommen im Sommer mehr Routen dazu. Wir binden jetzt auch neue Orte wie etwa St. Anton oder Feldkirch an. Der Hauptfokus bleibt aber stark Cross-Border, also über die Grenzen. Etwa nach Italien. Innerhalb Österreichs ist Wien-Graz nach wie vor am stärksten. Fast die Hälfte der Passagiere fährt diese Strecke. Wir haben in Österreich ein Passagieraufkommen von 2,7 Millionen – fast 1,5 Millionen davon fahren zwischen Wien und Graz.
Viele Busexperten räumen ein, dass Flixbus den Fernbus-Markt wieder sexy gemacht hat. Gleichzeitig wird bemängelt, dass ein Monopol aufgelöst wurde, um ein neues Monopol zu installieren. Es gibt immer weniger Bus-Konkurrenz für Sie.
In der Busbranche gibt es eine hohe Markentreue. Wenn du ein gutes Erlebnis hast, bleibst du dabei. Der größte Wettbewerber ist heute das private Auto. Es gibt aber auch Mitfahrgelegenheiten, Billigflieger - Köln-Berlin ist heute mit der Ryanair sehr günstig - oder die Bahnen. Und daran müssen wir uns auch mit unserer Preisgestaltung orientieren. Es wird also kein Monopol im eigentlichen Sinne geben, wo wir Preise absurd erhöhen. Das können wir uns nicht leisten.
Wie stark vertrauen Sie bei der Preisbildung dem freien Markt?
Angebot und Nachfrage sind die Kernelemente. Wenn du früh buchst, ist es eher günstig. Wenn du spät buchst, wird es teurer. Wenn du beim Busfahrer buchst ist es teurer, als über die App. Wenn es voller ist, wird es auch ein wenig teurer. Aber der Markt reguliert den Preis von selbst. Wenn am Freitag alle von Wien nach Graz wollen, wird es naturgemäß teurer.
Wie oft diskutieren die Gründer trotzdem noch über Preise?
Gar nicht so oft. Wir diskutieren, wenn wir in ein neues Land gehen. Wie ist die Demografie, wie ist die Preisstruktur, wie müssen wir uns einordnen. Wenn das dann läuft, analysieren wir die Preisbereitschaft. Unsere Algorithmen steuern dann nach der Nachfrage, sehen ob es Feiertage gibt und die Konkurrenz macht.
War die Übernahme finanziell an der Schmerzgrenze oder nahm man Hellö im Vorbeigehen mit?
Es war nicht an der Schmerzgrenze. Hellö ist im Vergleich ja ein kleinerer Anbieter.
Wann ist die Kauf-Entscheidung denn final gefallen?
Erst Mitte, Ende Mai. Aber wir haben schon länger mit der ÖBB gesprochen. Der Wechsel passiert jedenfalls zum 1.8.
Sie haben zuletzt pro Jahr 50 Prozent an Kunden dazugelegt. Wie schnell wollen Sie weiter wachsen?
Unser Ziel ist, deutlich zu wachsen. In Südosteuropa und Skandinavien sehen wir noch große Chancen. Wir haben uns extrem schnell entwickelt, ob wir aber die Rate von von 50 Prozent pro Jahr aber weiterhin halten, können wir nicht sagen.
Wie hat sich die eigene Organisation mit dem Wachstum verändert?
Am Anfang war es sehr, sehr familiär. Man sitzt zu dritt, zu viert im Raum und verfolgt eine Art Zurufkultur. Mittlerweile ist es so, dass wir schon sechs Büros in ganz Europa haben – im Laufe des Jahres werden wohl noch zwei in weiteren Ländern dazukommen. Da braucht es mehr Struktur, man muss sich professionalisieren. Wir transportierten 30, 40 Millionen Passagier im Jahr – die wollen einen anständigen Service haben. Wir setzen trotzdem stark auf Selbstorganisation, auf autonome Teams, die Verantwortung übernehmen und ihre Bereiche von der Idee bis zur Umsetzung treiben.
Was wird bei Flixbus in den nächsten Jahren technologisch passieren?
Wir werden sehr viel in die App investieren. Wir glauben, man kann da noch stärkere Bindung zum Kunden aufbauen. Auch die Auswahl des Netzes soll verbessert werden, damit man schneller die kürzesten, die schnellsten, die besten Verbindungen findet. Kunden wollen auch in Echtzeit sehen, wo der Bus fährt. Wir wollen da so transparent wie möglich sein, der Kunde soll sich nicht verloren fühlen.
Es gibt bei Flixbus finanziell sehr potente Eigentümer. Wie stark reagieren diese in das Unternehmen hinein?
Klar, für dieses schnelle Wachstum, braucht man natürlich auch 2,50 Mark. Und ja, wir haben mittlerweile starke Investoren. Zuletzt Silver Lake, als großer Tech-Investor. Was passt, weil wir uns zur Hälfte als Mobilitätsanbieter und zur Hälfte als Tech-Unternehmen sehen. Im operativen Geschäft haben wir, also die drei Gründer und unser vierter Geschäftsführer, aber freie Hand. Mit den Eigentümern treffen wir uns alle drei Monate und diskutieren große, strategische Themen.
Die Gründer halten noch etwa ein Drittel der Anteile. Könnten Sie sich vorstellen, diese vollständig aufzugeben?
Der Grund, warum wir das machen, ist, weil wir sehen wollten, ob wir ein nachhaltig erfolgreiches Unternehmen bauen können. Und, weil Du als Unternehmer unabhängig bist. Du tauscht ein Stück deines Lebens gegen das Unternehmen. Und wenn du alles abgibst, dann bist du de facto nur mehr ein angestellter Manager. Und das will ich nicht. Das ist mein Baby, mein Herzblut. Es ist ja nicht nur eine App, es hat die Art und Weise, wie Menschen reisen, verändert.
Wie sieht der Flixbuskunde im Moment eigentlich aus? Männlich, 35 und gut ausgebildet?
Nein. Tatsächlich sind viele unter 35 Jahre, aber der typische Flixbuskunde ist eine Kundin. Es fahren nämlich deutlich über 50 Prozent Frauen mit uns. Und ja, es fahren zwar viele Studenten, es wäre aber Quatsch, zu sagen, dass mit uns nur Akademiker fahren würden. Der typische Geschäftsreisende fährt freilich nicht nur Flixbus, aber auch.