Gratisversand und -retouren, Videos, Musik und Co. Mit diesen Versprechen ködert der Versandriese Amazon Kunden. In den Genuss dieses Angebots kommt man nur als Prime-Abonnent. Kostenpunkt: 69 Euro im Jahr. Ein wichtiges Verkaufsargument von Amazon: Allein durch den Wegfall der Versandkosten rechne sich das Angebot. Und so sorgt der Versandriese dafür, dass immer mehr Produkte unter die „Prime“-Kategorie fallen.

Doch im vollen Umfang profitieren davon nur Kunden mit deutscher Adresse. Österreicher lesen trotz aufrechten Prime-Abos immer öfter: „Dieser Artikel kann nicht nach Österreich geliefert werden.“ Amazon kennt das Problem, sieht sich aber nicht als zuständig an. Auf Anfrage der Kleinen Zeitung antwortet der Onlinehändler: „Bei Marketplace-Artikeln, die im Rahmen von Prime angeboten werden, liegt es im Ermessen des Drittanbieters, in welche Länder geliefert wird.“ Zur Erklärung: Marketplace-Händler sind eigenständige Firmen, die Amazon als Verkaufsplattform nutzen. Lassen diese den Versand von Amazon abwickeln, werden die Produkte mit „Prime“ markiert.

Retourkosten

Eine teuer erkaufte Auszeichnung. Die Händler müssen sich den Regeln von Amazon unterwerfen, die gerade verschärft wurden. So müssen die Anbieter nun Rücksendekosten übernehmen, wenn ein Artikel binnen 14 Tagen zurückgesendet wird. Bei Kleidung beträgt diese Frist sogar 30 Tage.

Diese Kosten sind ein Hauptgrund für den Lieferboykott nach Österreich. Denn passiert ein Paket in der EU eine Staatsgrenze, kostet das bis zum Fünffachen eines Inlandspakets. Daher scheuen nicht nur Amazon-Händler den grenzübergreifenden Versand, sondern auch viele Mode- und Elektronikhändler. Die Folge: Österreicher müssen für das gleiche Produkt oft deutlich mehr zahlen. Vor allem bei Elektronikprodukten betragen die Unterschiede schnell ein paar Hundert Euro.

Das Problem der hohen Lieferkosten hat die EU-Kommission erkannt und der Branche mehr Transparenz verordnet. Die Hoffnung: Dadurch werde der Wettbewerb steigen und die Preise würden sinken. Bessert sich die Lage nicht, wären Obergrenzen denkbar.

Lieferadresse im Ausland

Es gibt auch Profiteure dieser Situation. Einer ist der Vorarlberger Unternehmer Danilo Reiter. Eigentlich handelte er mit Ersatzteilen für Cabriolets. „Der Großteil der Kunden kam aus Deutschland. Ich bin regelmäßig mit dem Lkw über die Grenze gefahren, um meine Pakete aufzugeben“, sagt Reiter. Danach ging es mit leerem Lkw zurück – wirtschaftlich ineffizient.

Die Lösung: Seit 2015 hat er einen Lagerraum in Deutschland und bietet Privatkunden eine deutsche Lieferadresse. Dorthin kann man Pakete liefern lassen. Mit einer Vollmacht ausgestattet, nimmt Reiter diese an und bringt sie über die Grenze. „Wir sind ein Partner von dpd, DHL und Hermes und können österreichweit versenden.“ Das Paketgeschäft läuft so gut, dass er den Autoteilehandel stillgelegt hat. „Der nächste Schritt sind Abholstationen in ganz Österreich. Dadurch wird auch die Retourenannahme erleichtert.“ Die ersten Paketshops will Reiter im Sommer in Klagenfurt und Graz eröffnen.