Chinesische Investoren haben es trotz prall gefüllter Geldbörse momentan nicht leicht bei ihrer Suche nach Technologie-Perlen in Deutschland. Der geplante Zukauf des deutschen Chipanlagenbauers Aixtron hat schon wegen der ausgedehnten Prüfungen im Berliner Wirtschaftsministerium das deutsch-chinesische Verhältnis vergiftet und ist am Ende an einem Veto der US-Behörden gescheitert.
Kritische Worte
Nach kritischen Worten der betroffenen Arbeitnehmer und deren politischen Unterstützern erlahmte inzwischen auch das chinesische Kaufinteresse am Lichttechnik-Konzern Osram. Der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel arbeitet unterdessen daran, in Deutschland und Europa ein besser bestücktes Schutzinstrumente-Arsenal zu schaffen, um unliebsame Übernahmen abzuwehren.
Es knirscht kräftig
All das fällt in eine Zeit, in der es zwischen Deutschland und China, die sich über Jahre als enge strategische Partner und Freunde darstellten, so kräftig knirscht wie lange nicht. Bei Gabriels China-Besuch Anfang November wurde das überdeutlich. "Wir haben es an Klarheit nicht fehlen lassen - auf beiden Seiten", gestand der Minister nach Gesprächen mit Regierungspolitikern ein. Dabei ging es auch um Firmenübernahmen wie Aixtron. Ein ranghohes Delegationsmitglied war danach schockiert. "So deutlich habe ich es noch nie empfunden: China will keine Freunde, keine Partner, für China zählen nur die eigenen Interessen." Und diese Interessen sind mit der Strategie "Made in China 2025" darauf ausgerichtet, die Technologieführer der USA und Europas nicht nur einzuholen, sondern zu überholen. Ein wichtiger Baustein dafür sind Übernahmen von zukunftsträchtigen Unternehmen im Ausland.
"2015 steht für einen rasanten und unkontrollierten Anstieg von chinesischen Auslandsinvestitionen", formulieren die China-Experten des Merics-Forschungsinstituts in Berlin. Auch wenn die öffentlich verfügbaren Zahlen teils erheblich differieren, belegen sie alle zwei Dinge: Der Kaufhunger der Drachen aus dem Reich der Mitte von Firmen im Ausland ist in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Und Deutschland steht ganz hoch im Kurs.
Rekordwert an Neugründungen
Nach Daten von Thomson Reuters wird China 2016 mit insgesamt 835 Neugründungen, Beteiligungen und Übernahmen im Ausland im Volumen von 215,4 Milliarden Dollar (206,7 Milliarden Euro) einen neuen einsamen Rekordwert erreichen. Vom Wert her ist das mit über 120 Prozent Anstieg mehr als eine Verdopplung. Auf Europa entfielen davon 238 Projekte im Volumen von knapp 82 Milliarden Dollar - mehr als eine Verdreifachung. Und darunter wiederum werden für Deutschland 58 Transaktionen von insgesamt knapp 10 Mrd. Euro festgehalten - eine Zunahme von weit über 4000 Prozent.
Zu etwas anderen Zahlen, aber mit der gleichen Tendenz, kommt die internationale Unternehmensberatung Ernst & Young (E&Y). Nach deren Informationen explodierten im ersten Halbjahr die chinesischen Übernahmen und Beteiligungen im Ausland um mehr als 50 Prozent auf 99 Mrd. Dollar. Im Gesamtjahr rechnen die Experten mit einem neuen historischen Höchstwert von 170 Mrd. Dollar. Und diese Welle, sagen die E&Y-Experten, rollt in den kommenden Jahren mit zweistelligen Raten weiter.
Drittgrößter Investor in Deutschland
Für Deutschland heißt das: inzwischen hat sich China zum drittgrößten Investor gemausert. Dabei gilt das Interesse der Chinesen vor allem den Industrieunternehmen. Unter den zehn größten chinesischen Akquisitionen des laufenden Jahres in Europa führen die Experten drei Vorhaben in Deutschland auf: den Roboterkonzern Kuka, den Müllverbrenner EEW Energy from Waste in Niedersachsen und den Maschinenbauer Kraussmaffei. Andererseits gilt aber auch, dass der Bestand an deutschen Direktinvestitionen, also an Werken und Engagements in Firmen, in China mit über 60 Milliarden Euro die chinesischen Engagements hierzulande um ein Vielfaches übersteigen - die lange Zeit tiefe Kluft wird lediglich langsam etwas flacher.
Dieses Ungleichgewicht sollte man in der teils emotionalen Debatte nach Ansicht des deutschen Außenhandelspräsidenten nicht vergessen. Gemessen an den deutschen Aktivitäten in China "bewegen sich die chinesischen Investitionen in Deutschland und Europa immer noch auf niedrigem Niveau", unterstreicht Anton Börner. "Vor diesem Hintergrund ermutigen wir ja chinesische Investoren stets, sich noch stärker in Deutschland zu engagieren." Das weiß auch Gabriel: "Es zeigt sich, dass chinesische Investitionen zunehmen bei uns - und das ist gut so", sagt SPD-Chef.
Woran sich Gabriel und viele andere aber stoßen: an der bestimmenden Rolle des chinesischen Staates bei fast allem, was die Wirtschaft angeht, auch beim Gang von Firmen ins Ausland. Das kollidiert mit dem hiesigen Verständnis von Marktwirtschaft, in der staatliche Subventionen, Abschottung und Schutzmaßnahmen nichts zu suchen haben. Dass jedoch auch in den westlichen Ländern mit Subventionen und Handelshemmnissen gegen diese Grundsätze verstoßen wird, wird hierbei oft ausgeblendet. Der Vorwurf an die Chinesen jedenfalls lautet: Wettbewerb mit unlauteren Mitteln - etwa wenn bei solchen Übernahmeprojekten großzügig staatliche Fonds mit Milliardenvolumina angezapft werden können.
Dass sich daran schnell etwas ändert, damit rechnet der Wirtschaftsminister nicht. "Wir werden nicht erwarten können, dass das von heute auf morgen ein genauso offener Markt wird, wie es Deutschland schon lange ist." Deutsche Firmen können in China beileibe nicht nach Lust und Laune Konkurrenten kaufen, es sei denn mit einem lokalen Partnern, und dabei unterliegen sie vielen anderen Beschränkungen, was die deutsche Politik und Wirtschaft ohnehin seit langem ärgert.