Beim Schuldeingeständnis ist die Sache schon eindeutig. "Wir haben das wichtigste Teil unserer Autos kaputt gemacht: Ihr Vertrauen", schrieb der deutsche Autokonzern Volkswagen im Herbst. Ein halbes Jahr nach dem Ausbruch der Abgas-Krise ist klar: Nicht nur das Vertrauen muss VW richten.

Für VW dauerte der Wandel vom Vorzeige-Unternehmen zum tief verunsicherten Konzern nur wenige Tage. Am 18. September 2015 machten US-Behörden die Abgas-Affäre öffentlich, nachdem der Autobauer über viele Monate hinweg Antworten schuldig geblieben war.

Vorstandschef Martin Winterkorn, der kurz zuvor bei der Automesse IAA die modernen Antriebe der Wolfsburger noch als "Quantensprung für unsere Industrie" gen Himmel gehoben hatte, fiel nur Tage nach dem Auffliegen des Skandals auf die Knie. "Es tut mir unendlich leid", sagte er am 22. September. Einen Tag später trat er dann "fassungslos" zurück: "Volkswagen war, ist und bleibt mein Leben."

Prozesslawine

Die Folgen des Skandals werden für Volkswagen teuer. Denn der Konzern muss zahlreiche Schlachten vor Gericht ausfechten.

Entschädigung

Die VW-Aktie stürzte nach dem Ausbruch der Abgas-Affäre ab, viele Anleger wollen sich ihre Verluste vom Unternehmen erstatten lassen. Ihr Argument: VW hätte deutlich früher über die Probleme informieren müssen, weil Kursabschläge drohten. Mittlerweile haben auch Großanleger entsprechende Klagen lanciert, darunter der größte US-Pensionsfonds Calpers und die Sparkassen-Fondstochter Deka. Der Vermögensverwalter AGI - eine Allianz-Tochter - erwägt die Teilnahme an einer Sammelklage. VW bekräftigte seine Auffassung, alle Pflichten befolgt zu haben.

VW-Besitzer

Weltweit wollen VW-Fahrer Schadenersatz einklagen. Das Landgericht Bochum urteilte in einem ersten deutschen Verfahren zwar, dass die Software-Manipulationen keine Pflicht zur Rücknahme der verkauften Autos nach sich ziehen. Manche Anwälte glauben jedoch, dies müsse noch keine Richtungsentscheidung sein. Enttäuschte VW-Kunden machen einen Wertverlust der Fahrzeuge geltend - etwa falls sich Leistungs- oder Verbrauchsdaten durch die notwendigen Umrüstungen verschlechtern. Volkswagen betonte allerdings mehrfach, alle betroffenen Autos seien "technisch sicher und fahrbereit".

Sammelklagen

Viele Kanzleien buhlen darum, VW-Aktionäre und -Kunden vor Gericht vertreten zu dürfen. In den USA sind Sammelklagen ganz normal, in Deutschland können zumindest Aktionäre ein sogenanntes Musterverfahren beantragen. Dabei wird eine Klage verhandelt, an deren Ausgang sich dann andere Klagen orientieren. VW-Chef Matthias Müller hält das auch für ein Geschäftsmodell von Juristen: "Wir sehen dem ganz gelassen entgegen." Viele Autofahrer in Europa versuchen, ihre Verfahren über eine niederländische Stiftung bündeln zu lassen. Der US-Staranwalt Michael Hausfeld kündigte an, im Namen von Kunden und Unternehmen in Deutschland gegen den Konzern vorgehen zu wollen.

US-Behörden

Zum Jahresbeginn hat das US-Justizministerium eine Klage gegen VW vorgelegt. Dabei geht es um die Manipulationen an Dieselautos, dem Konzern werden aber auch Tricksereien und Täuschung in der Aufarbeitung der Affäre vorgeworfen. Theoretisch drohen laut der Klageschrift 45 Mrd. Dollar Strafe plus eine möglicherweise milliardenschwere Zahlung im Ermessen des Gerichts. VW will sich mit Verweis auf die laufenden Verfahren nicht dazu äußern. Berichten zufolge weitete das Ministerium seine Ermittlungen nun auf den Verdacht auf Bankbetrug und mögliche Steuergesetzes-Verstöße aus. Volkswagens US-Chef Michael Horn trat überraschend zurück.

Betrugsvorwurf

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nach den Manipulationen von Stickoxidwerten gegen inzwischen 17 Beschuldigte wegen Verdachts auf Betrug und unlauteren Wettbewerb. Darunter ist nach wie vor kein Vorstandsmitglied. Gegen mindestens fünf Personen wird seit dem Herbst wegen möglicher CO2-Falschangaben ermittelt. Der Vorwurf lautet hier vor allem auf Steuerhinterziehung, weil sich die deutsche Kfz-Steuer stark am CO2-Ausstoß orientiert. Die Staatsanwaltschaft rechnet damit, dass es noch länger dauert, bis Ergebnisse vorliegen. VW will sich zu den Vorwürfen nicht äußern.