Nach amerikanischem Rohöl hat es auch die europäische Sorte Brent erwischt: Am Mittwochabend fiel der Preis für ein Barrel (159 Liter) Nordseeöl unter die Marke von 30 US-Dollar. Es ist das erste Mal seit April 2004, dass diese Marke unterboten wird. Im Tief kostete ein Fass Brent zur Lieferung im Februar 29,96 Dollar, zuletzt stand es bei 30,32 Dollar. US-Rohöl (WTI) war bereits am Dienstagabend zeitweise unter die 30-Dollar-Marke gerutscht.

Der starke Dollar und der Ölpreisverfall belasten nach Einschätzung der US-Notenbank Fed inzeischen die US-Konjunktur. Diese beiden Faktoren hätten Verbesserungen am Arbeitsmarkt und bei den Konsumausgaben zunichtegemacht, erklärte die Fed am Mittwoch in ihrem Konjunkturbericht - im Fachjargon "Beige Book" genannt.

In neun von zwölf Distrikten habe die Wirtschaftsaktivität zwischen Ende November und Anfang Jänner jedoch zugelegt. Während die Ausgaben der Verbraucher in den meisten Distrikten leicht bis moderat anzogen und es an den Arbeitsmärkten weiter aufwärts ging, sah es bei der Industrie nicht so gut aus. Der starke Dollar belaste die Nachfrage, hieß es in dem Bericht der Fed.

Vor allem der Energiesektor hat derzeit wegen der niedrigen Ölpreise zu kämpfen. Der milde Winter habe beispielsweise in Cleveland und Kansas den ohnehin hohen Öl- und Gasbestand weiter ansteigen lassen und damit den Druck auf die Preise erhöht.

Schlechtere Ratings für Energiefirmen

Die Ratingagentur Standard and Poor's (S&P) droht Energiekonzernen wegen des Verfalls der Ölpreise unterdessen mit Herabstufungen. Die Agentur senkte am Mittwoch ihre Prognosen für die Entwicklung der Öl- und Gaspreise deutlich. Aufgrund dessen müsse die Kreditwürdigkeit der Energiefirmen überprüft werden, erklärte S&P.

Mit einem Abschluss sei in den nächsten Monaten zu rechnen. Auf viele Unternehmen der Branche könnten geringere Bewertung zukommen.

Dramatischer Preisverfall

Der Sturzflug am Ölmarkt nimmt mittlerweile dramatische Züge an. Er begann vor eineinhalb Jahren bei einem Preisniveau von 110 Dollar. Seither sind die Weltmarktpreise um 70 Prozent eingebrochen. Zwischenzeitlich hatte es immer wieder nach einer Stabilisierung ausgesehen, doch das waren Trugbilder. Der Preisverfall ging weiter und beschleunigte sich zuletzt. Allein in den wenigen Tagen seit Beginn des neuen Jahres sind die Ölpreise um 15 Prozent abgestürzt.

Der Grund dafür ist einfach: Es gibt zu viel Öl auf der Welt. In den USA hat der Schieferölboom zu einem so starken Anstieg der Ölproduktion geführt, dass das Land seinen Ölbedarf quasi allein stillen kann und sogar über die Aufhebung des jahrzehntelangen Ölexportverbots nachdenkt. Im Gegenzug hat das Ölkartell Opec erheblich an Marktmacht eingebüßt. Reiche Länder wie Saudi-Arabien versuchen deshalb, die aufstrebenden US-Produzenten mit einem Preiskampf aus dem Markt zu drängen. Folge der Ölschwemme: Die Preise fallen immer weiter.

Öl-Staaten in Bedrängnis

Der Preisverfall drängt Unternehmen und Länder, die an dem Ölverkauf verdienen, zunehmend in die Enge. Ölgiganten wie das britische Unternehmen BP streichen Arbeitsplätze. Zudem nagen fallende Verkaufspreise an der Erlössituation der Unternehmen, weshalb Investitionen ausbleiben. Den Verbrauchsländern könnte ihr Jubelschrei deswegen noch im Halse stecken bleiben, wenn die Förderkapazitäten zurückgeschraubt werden und ein plötzlicher Ölmangel die Preise wieder stark steigen ließe.