Für künftige Tests verlangen die Abgeordneten strenge Regeln. Abgastests im Labor sind für Autobauer sehr berechenbar - es hat Jahre gedauert, bis ein Reformvorschlag auf den Tisch kam. Abgeordnete des EU-Parlaments werfen der EU-Kommission und nationalen Aufsehern Nachlässigkeit vor. Ein Untersuchungsausschuss soll nun beleuchten, was passiert ist.

Was macht und darf ein Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments?

Gegenstand sind laut EU-Vertrag "behauptete Verstöße gegen das Unionsrecht oder Missstände bei der Anwendung desselben". Mitglieder des Ausschusses können Dokumente verlangen, in der EU oder außerhalb recherchieren und Zeugen anhören. Das Vorladen von Einzelpersonen unter Strafandrohung ist nicht möglich - anders als etwa im Deutschen Bundestag. Wenn ein EU-Staat oder eine europäische Behörde sich querstellt, kann das Parlament aber ein Vertragsverletzungsverfahren verlangen oder die Behörde beim Europäischen Gerichtshof verklagen.

Was genau soll der Ausschuss im Abgas-Skandal aufklären?

Viele Abgeordnete vermuten angesichts der VW-Affäre, dass die EU-Kommission und nationale Aufseher in der Vergangenheit zu wenig getan haben, um das EU-Verbot manipulativer Software bei Abgastests zu überwachen und durchzusetzen. Sie wollen klären, ob es konkrete Hinweise gab, dass solche Programme zum Einsatz kamen. Auch das zahme Messsystem wird kritisiert. Die Kommission habe jahrelang nichts dagegen unternommen, dass die Tests einen realistischen Eindruck vom Schadstoffausstoß vermitteln sollen - obwohl sie von Abweichungen gewusst habe. Pikantes Detail: Der Konservative Antonio Tajani, von 2010 bis 2014 EU-Industriekommissar, sitzt heute im EU-Parlament. Die Chefin der Grünen-Fraktion, Rebecca Harms, will ihn vorladen.

Was sagt die EU-Kommission dazu?

Die heutige Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska wehrt die Vorwürfe ab. Natürlich hätten die Kommission, die Staaten und auch Abgeordnete von der Existenz betrügerischer Software gewusst - sonst wäre diese 2007 ja nicht per EU-Gesetz verboten worden. "Aber der Kommission waren keine tatsächlichen Fälle von Betrug bekannt. Die Testverfahren in der EU haben sie nicht bemerkt." Die Vorbereitung neuer Testmethoden brauche nun mal Zeit, so Kommissionsexperten.

Nationale oder EU-Aufsicht - welcher Ansatz ist besser?

Wegen des Abgas-Debakels bei VW wurden Stimmen laut, die angeblich zu laxen Kontrollen der nationalen Behörden auf die EU-Ebene zu ziehen. Die Praxis der Kfz-Zulassungsstellen werde genauer beobachtet, sagte Bienkowska im November der "Süddeutschen Zeitung": "Die Genehmigungssysteme der Mitgliedstaaten haben versagt." Mitarbeiter ihrer Behörde sagten der dpa: "Wir brauchen volle Klarheit, eine rigorose Umsetzung der Regeln. Wir zählen auf die Unterstützung des EU-Parlaments." Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) kündigte an, striktere Prüfungen für alle großen Autohersteller durchzusetzen: "Offenlegung der Motoren-Software und staatliche Prüfstände zur Nachkontrolle werden Teile eines umfassenden Maßnahmenpakets sein."

Wie reagieren Autoverbände und Umweltschützer?

Der deutsche Autoverband VDA hält neue Testverfahren grundsätzlich für machbar. Die Branche werde aber auch vor "große technische und wirtschaftliche Herausforderungen" gestellt, erklärte VDA-Präsident Matthias Wissmann. Ein Problem sei die Vergleichbarkeit der Daten im Straßenbetrieb. Insgesamt dürfe man die Unternehmen nicht über Gebühr belasten, betonte der Verband zum Weltklimagipfel: "Deswegen gilt es, die Balance zwischen Klimaschutz und wirtschaftlicher Entwicklung zu wahren." Die deutschen Umwelt- und Verkehrsverbände Nabu, BUND, DUH und VCD drängen auf eine Reform der ganzen Zulassungssystems: Der VW-Skandal offenbare, dass ein neues Typenzulassungsverfahren unbedingt nötig sei. Dazu gehörten - nach US-Vorbild - "unabhängige Kontrollmessungen im realen Fahrbetrieb und empfindliche Sanktionen bei Verstößen".

Wie geht es nun weiter?

Das EU-Parlament könnte die neuen Testmethoden im Jänner kippen. Experten der EU-Staaten hatten im Oktober zwar einen Rahmen für realistischere Tests von Dieselwagen abgesteckt. Beim "Real Driving Emissions" (RDE) genannten Ansatz sollen aber deutliche Abweichungen von europäischen Grenzwerten erlaubt sein. Der Umweltausschuss des Parlaments wies die Pläne daher vor kurzem zurück. In der Debatte sind außerdem Verfahren nach dem UN-weit erarbeiteten WLTP-Standard, Opel hatte sich etwa dafür eingesetzt. Dieser Prüfzyklus soll in der EU ab 2017 gelten. Er bezieht Schaltvorgänge im Auto, die Qualität des Kraftstoffs, den Reifendruck und weitere Zusatzkriterien ein.