Die Aktien des deutschen Autobauers Volkswagen (VW) sind am Mittwoch an der Frankfurter Börse deutlich eingebrochen, nachdem das Unternehmen am Dienstagabend weitere Unregelmäßigkeiten bei den CO2-Werten eingeräumt hatte. Gegen 9.45 Uhr lagen die VW-Aktien mit minus 8,29 Prozent auf 101,801 Euro am Ende des Leitindex DAX.

Am Dienstagabend hatte VW nach Manipulationen bei Stickoxid-Werten auch "Unregelmäßigkeiten" bei CO2-Werten einräumen müssen. Es gehe dabei hauptsächlich um Dieselautos, aber auch um eine geringe Anzahl von Benzinern. Wie hoch der gemessene Ausstoß über den offiziellen Werten liegt, sagte ein Sprecher zunächst nicht.

800.000 Autos betroffen

"Nach derzeitigem Erkenntnisstand können davon rund 800.000 Fahrzeuge des Volkswagen-Konzerns betroffen sein", hieß es in Wolfsburg. Europas größter Autobauer taxierte die wirtschaftlichen Risiken in einer ersten Schätzung auf rund 2 Mrd. Euro.

Der neue Vorstandschef Matthias Müller versprach erneut eine "schonungslose" Aufklärung: "Dabei machen wir vor nichts und niemandem Halt. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative." Der Aufsichtsrat reagierte "mit Betroffenheit und Sorge" auf die neuen Erkenntnisse. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wird sich die Aufsichtsratsspitze spätestens an diesem Sonntag treffen, der komplette Aufsichtsrat dann am Montag.

Bisher ging es in dem Skandal ausschließlich um Stickoxide. Im September hatte VW eingestanden, bei Abgastests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Dieselmotoren manipuliert zu haben. Das Programm schaltet in Testsituationen in einen Sparmodus. In dem Zusammenhang musste VW bereits 6,7 Mrd. Euro zurückstellen.

USA: Auch Porsche wird geprüft

In den USA, wo der Abgasskandal seinen Ausgang nahm, wandte sich nach einem Bericht des Deutschlandfunks das Energie- und Handelskomitee des US-Repräsentantenhauses mit der Bitte um weitere Informationen an VW-Landeschef Michael Horn. Bis zum 16. November solle dieser weitere Dokumente vorlegen. Die Umweltbehörde EPA wirft VW, Audi und Porsche vor, auch bei größeren Dieselmotoren getäuscht zu haben. Die Unternehmen wiesen die Anschuldigungen zurück.

Porsche stoppte den Verkauf des Geländewagens Cayenne mit Dieselmotor in den USA. Man habe die Auslieferung der entsprechenden Modelle dort vorerst eingestellt, sagte ein Sprecher am Mittwoch. Dies sei eine reine Vorsichtsmaßnahme. Man prüfe die Vorwürfe der EPA noch.

Mit Blick auf die CO2-Werte hatte die Holding der Stuttgarter VW-Luxustochter schon am Dienstagabend angedeutet, dass auch im Ergebnis der Porsche SE ein "belastender Effekt" eintreten könnte. Derzeit gehe man aber für 2015 weiter von einem Gewinn nach Steuern zwischen 0,8 und 1,8 Mrd. Euro aus - auch "unter dem Vorbehalt weiterer Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Dieselthematik".

Falsche Verbrauchsangaben

VW hatte erklärt, im Rahmen der laufenden Überprüfungen aller Prozesse und Abläufe bei Dieselmotoren sei aufgefallen, dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden. Betroffen seien überwiegend Fahrzeuge mit Dieselmotoren. Es gehe um den Polo, Golf und Passat, sagte ein Sprecher. Bei Audi seien A1- und A3-Modelle betroffen. Bei Skoda gehe es um den Octavia, bei Seat um den Leon und Ibiza.

Auch bei einem Benzinmotor mit Zylinderabschaltung gebe es Auffälligkeiten. Es handle sich aber um eine geringe Stückzahl. Bei den Dieselmotoren seien 1,4-, 1,6- und 2,0-Liter-Varianten betroffen.

CO2 ist zwar unschädlich für den Menschen, aber zugleich das bedeutendste Treibhausgas und wesentlich für die menschengemachte Erderwärmung verantwortlich. Die CO2-Grenzwerte sind in der EU in den vergangenen Jahren nach schwierigen Verhandlungen verschärft worden.

Steuer an CO2-Werte gekoppelt

Die neue Dimension könnte auch finanziell gravierende Folgen haben. So hängt in Deutschland die Höhe der Kfz-Steuer für jüngere Pkw mit Erstzulassungsdatum ab 1. Juli 2009 auch am CO2-Ausstoß. Damit steht das Risiko im Raum, dass durch die Abgasmanipulationen Kfz-Steuern für Autos aus dem VW-Konzern zu niedrig festgesetzt worden sind.

Die Grünen sehen nun auch der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Zug. "Angesichts der Dimension des Skandals und dem damit verbundenen Schaden für die gesamte deutsche Automobilbranche reicht es nicht mehr aus, Aufklärung als Show zu simulieren", sagte der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der Deutschen Presse-Agentur. Dobrindt müsse klare politische Regeln und Kontrollen durchsetzen.

Die Chefin des Umweltausschusses im Deutschen Bundestag, Bärbel Höhn, erklärte: "Offenbar hat VW bei der Ermittlung des Spritverbrauches illegale Techniken angewendet, um ihn nach unten zu korrigieren." Strittig ist auch die Rolle des Kraftfahrt-Bundesamts. Ex-Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sagte der "Rheinischen Post": "Es ist jetzt die Stunde des Kraftfahrt-Bundesamtes, das dringend für Aufklärung bezüglich der Abgaswerte im Realverkehr und bei Tests sorgen muss."