Keine rechte Freude haben finanzpolitische Analysten mit der abgesagten Zinswende in den USA. Wie berichtet hat die US-Notenbank in ihrer Sitzung gestern Abend entschieden, bei den seit 2008 geltenden Nullzinsen (Leitzins-Spanne von null bis 0,25 Prozent) zu bleiben.

Mit diesem Schritt habe sich die Fed den Erwartungen des Marktes gebeugt und einen Zinsschritt weiter verschoben, sagt etwa Asoka Wöhrmann, Chief Investment Officer der Deutschen Asset & Wealth Management. Wöhrmann weiter: "Damit hat die Fed erneut nur mit Worten agiert. Der ausgebliebene Zinsschritt beschneidet den Spielraum der Fed, die Zinspolitik pro-aktiv zu gestalten, da sich das Zeitfenster für einen Zinsschritt weiter verengt."

Der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Clemens Fuest, legte Freitagfrüh nach und warnte die Fed vor einem Verlust der Glaubwürdigkeit: "Sie kann nicht immer wieder Zinserhöhungen ankündigen und sie dann verschieben." Fuest meint, wenn nichts Unvorhergesehenes geschehe, müsse die Fed spätestens im Frühjahr den ersten Zinsschritt gehen.

US-Wirtschaft brummt

Tatsächlich hatten zwar Fed-Beobachter in Umfragen mehrheitlich mit der Zinswende gerechnet, an den Finanzmärkten aber überwog die Skepsis. Die Wahrscheinlichkeit eines Zinsschritts war seit Wochen mit nur knapp einem Drittel veranschlagt worden. Mit anderen Worten: Die Marktteilnehmer hatten nicht mit einem Zinsschritt gerechnet.

In Österreich zeigt sich der Chefanalyst von Raiffeisen Research, Peter Brezinschek, im Gespräch mit der Kleinen Zeitung überrascht: "Wäre ich US-Notenbanker, dann hätte ich für eine Zinsanhebung gestimmt. Denn die US-Wirtschaft brummt, die Arbeitslosigkeit sinkt. Wann, wenn nicht jetzt, sollte man zur Normalität von höhéren Leitzinsen zurückkehren?"

Euro-Kurs steigt

Der Euro bleibt nach der verschobenen Zinswende in den USA im Vergleich zum Dollar auf dem höchsten Stand seit Ende August. Die europäische Gemeinschaftswährung kostete zuletzt 1,1410 US-Dollar und damit deutlich mehr als vor der Entscheidung der US-Notenbank Fed am Donnerstagabend.

In ihrer Pressekonferenz hatte Fed-Chefin Janet Yellen erklärt, dass eine Zinsanhebung im Oktober weiter möglich sei. Deshalb müsse man nun auf das nächste Treffen des Offenmarktausschusses der Fed warten, sagen Experten.