Der zunehmende Druck auf die Arbeitszeiten beschäftigt den Interregionalen Gewerkschaftsrat Bodensee. Gewerkschaftsvertreter aus dem Schweizer Kanton St. Gallen, aus Vorarlberg, Südwürttemberg und dem Fürstentum Liechtenstein schilderten auf einem Treffen die Auswirkungen der Frankenstärke.
"Einen Donnerschlag", nannte Barbara Gysi, SP-Nationalrätin Präsidentin des kantonalen Gewerkschaftsbundes St. Gallen, die Aufhebung des Euro-Mindestkurses durch die Schweizerische Nationalbank. Auf die Folgen habe man nicht lange warten müssen: Auslagerungen von Arbeitsplätzen, Betriebszusammenlegungen, Kurzarbeit, Kündigungen, Lohnkürzungen, Auszahlung von Gehältern in Euro, zählte sie auf.
Die Liste der Unternehmen, die die Arbeitszeiten erhöhten, lese sich "wie ein who is who der Ostschweizer Industrie": Stadler Rail habe von 42 auf 45 Stunden erhöht, Autoneum (ehemals Rieter) von 41,5 auf 43 Stunden, Georg Fischer von 40 auf 44 Stunden, Bühler von 42,5 auf 45 sowie Huber & Suhner von 40 auf 43 Stunden.
Damit hätten die Unternehmen gleichzeitig die Gehälter massiv gekürzt: Eine Erhöhung von drei Wochenstunden entspreche einer Lohnreduktion um 6 bis 8 Prozent, rechnete Gysi vor.
Meldungen über Verlagerungen und Stellenreduktionen träfen anhaltend ein, stellte Gysi fest. Auch Zulieferer bekämen die Folgen zu spüren. So habe eine große Behinderteninstitution einen Auftrag verloren, weil der Auftraggeber in der Slowakei einen billigeren Anbieter gefunden habe.
Das Fürstentum Liechtenstein ist von der Frankenstärke ähnlich betroffen wie die Schweiz, "nur haben wir überhaupt keinen Einfluss auf die Nationalbank", sagte Sigi Langenbahn vom Liechtensteinischen Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerverband (LANV).
Den Druck auf die Arbeitszeiten gebe es schon länger, obwohl Liechtenstein mit 45 Wochenstunden - ähnlich wie die Schweiz - europaweit die höchsten Arbeitszeiten habe. Nun werde zunehmend die sogenannte "Vertrauensarbeitszeit" - ohne Zeiterfassung - eingeführt.
Einige Firmen hätten wegen der Frankenstärke die Löhne für alle gesenkt, andere nur für die Grenzgänger. Ein Unternehmen unterscheide je nach Sparte. Es gebe inzwischen Familien, die darauf angewiesen seien, im günstigeren Vorarlberg einkaufen zu können, weil sie sonst nicht mehr über die Runden kämen, schilderte Langenbahn.
Vorarlberg sei von den Entwicklungen in der Schweiz zweifach betroffen, erklärte Norbert Loacker vom ÖGB Vorarlberg: Wegen der tieferen Löhne für die Grenzgänger - und wegen der Frankenkredite, die auf einen Schlag viel teurer geworden seien.
Anders als in der Schweiz und in Liechtenstein sind höhere Arbeitszeiten in Österreich kein Thema. Loacker befürwortet Modelle, wie sie der Vorarlberger Lampenhersteller Zumtobel anbietet. Dort könnten die Beschäftigten zwischen Lohnerhöhungen und mehr Freizeit entscheiden: Eine Gehaltserhöhung von zwei Prozent entspreche einer zusätzlichen Woche Ferien.
In Deutschland seien die Arbeitszeiten ein kontroverses Thema, sagte Gottfried Christmann vom DGB Region Südwürttemberg. Weil Mindestlöhne eingeführt wurden, müssten jetzt die Arbeitszeiten erfasst werden - und da entwickle sich Widerstand.
Es gebe zudem Nischen, in denen die grundlegenden sozialen Rechte, vor allem von mobilen Beschäftigten aus östlichen Ländern mit Füßen getreten werden, sagte er: Zu finden seien Beispiele in der Gastronomie, in Hotels, auf Baustellen, in der Pflege und auf Erdbeerfeldern.