Die Pläne der EU-Staaten, die Roaming-Gebühren für Handynutzer im Ausland doch nicht abzuschaffen, sind in Deutschland auf breite Kritik gestoßen. "Roaming-Gebühren passen nicht zur Idee von Europa und zur Idee des digitalen Binnenmarkts", sagte der frühere niedersächsische Ministerpräsident und jetzige EU-Parlamentarier David McAllister (CDU) der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Samstag).
Es habe keinen Sinn, dass es unterschiedliche Gebühren gebe. "Verbraucher sind sich häufig gar nicht bewusst, in welche Gebührenfallen sie dabei tappen", sagte er. Der SPD-Europaabgeordnete Bernd Lange kündigte den Widerstand des Europaparlaments an. "Offensichtlich scheinen einige Telekommunikationskonzerne Einfluss bei einigen Staaten gewonnen zu haben. Die Mehrkosten sind durch nichts mehr zu rechtfertigen, zumal die Telekommunikationsunternehmen längst europaweit agieren", sagte Lange der Zeitung.
Eigentlich hätten sich Handynutzer schon zum Jahresende auf eine Abschaffung der Extragebühren für Telefonate, Surfen und SMS im EU-Ausland freuen können. Doch daraus wird wohl nichts: Erstens wird die Zeit knapp. Zweitens gibt es inzwischen unter den EU-Staaten einen Kompromissplan, die Gebühren auf niedrigem Niveau beizubehalten. Das geht aus einem öffentlich gewordenen Dokument des Rates hervor, über das am Freitag die "Bild"-Zeitung berichtete. Die EU-Länder müssen sich aber noch mit dem Europaparlament einig werden - dort will man die Gebühren eigentlich streichen. Das hatten EU-Abgeordnete bereits Freitag bekräftigt.
Empörung bei Verbraucherschützern
Auch Verbraucherschützer hatten die Abschaffung der Gebühren gefordert. Der deutsche Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) hatte am Freitag empört reagiert: "Kommunikation ist nicht nur ein Urlaubsspaß, sondern innerhalb Europas für viele Menschen notwendiger Alltag", kommentierte Vorstand Klaus Müller. "Die Preise für die Endkunden müssen sich stärker an den realen Kosten der Unternehmen orientieren. Derzeit verdienen Unternehmen gutes Geld mit den Roaming-Gebühren."
Der Parlamentarische Staatssekretär im deutschen Verbraucherschutzministerium, Ulrich Kelber (SPD), sagte der "Passauer Neuen Presse" (Samstag): "Die vollständige Abschaffung der Roaming-Gebühren in Europa muss das Ziel bleiben. Nur so werden wir den Erwartungen der Verbraucher gerecht." Angesichts des technologischen Fortschritts seien Roaming-Gebühren ein Relikt vergangener Zeiten. So schaffe man keine digitale europäische Gesellschaft, sagte die Grünen-Politikerin Renate Künast den "Ruhr Nachrichten" (Samstag-Ausgabe). Die Vorsitzende des Verbraucherschutz-Ausschusses im Deutschen Bundestag sagte, es sei an der Zeit, endlich etwas für alle Verbraucher zu tun.
Nur 50 Minuten zu Inlandskonditionen
Laut dem Kompromisspapier der EU-Staaten sollen Bürger etwa bei Anrufen aus dem Ausland nur 50 Minuten lang zu Inlandskonditionen telefonieren können. Zudem sollen sie 50 SMS pro Jahr aus dem Ausland zu Inlandsbedingungen verschicken können, die mobile Internetnutzung ohne Aufschläge wäre nur bis zu 100 Megabyte im Jahr möglich. Diese Zahlen nannte die "Bild" am Freitag mit Bezug auf das Papier der EU-Länder. Die Staaten hatten sich bereits Anfang März darauf verständigt, dass sie die Extra-Gebühren für mobiles Telefonieren und Surfen im Ausland mit Einschränkungen vorerst weiter erlauben wollen.
Ein EU-Diplomat bestätigte, dass die Zahlen dem derzeitigen Kompromiss unter den Staaten entsprechen. Er sagte, man gehe aber davon aus, dass die Roaming-Aufschläge nach Erreichen dieser Grenzwerte niedriger ausfallen als bisher.