Seit Monaten schwelt im steirischen Raiffeisen-Sektor eine brisante Affäre um missglückte Kroatien-Kredite und dubiose Geldflüsse - die Kleine Zeitung hat berichtet. Wie groß der Schaden ist und welche Ausmaße die Causa hat, kann man indirekt aus einem Bericht der Steuerfahndung ersehen. Demnach sitzen die involvierten Banken auf einer großen Menge an Häusern, die nun abverkauft werden.

In dem internen Papier der Fahnder findet sich eine genaue Statistik: So haben die kreditgebenden Raiffeisenbanken im Zuge von Zwangsversteigerungen nach Kreditausfällen bisher 226 kroatische Immobilien angekauft. Diese Ankäufe seien "teilweise zum Minimalpreis erfolgt", heißt es. 66 Häuser seien weiterverkauft worden, in 60 Fällen habe es Zwangsräumungen gegeben.

Da diese Statistik den Stand von Mitte Juli 2014 abbildet und die "Aufräumarbeiten" inzwischen mit Hochdruck fortgesetzt wurden, kann man davon ausgehen, dass sich die Zahlen deutlich vergrößert haben. Wie berichtet ermittelt die Grazer Staatsanwaltschaft derzeit auf Hochtouren. Dabei geht es nicht nur um missglückte Kreditvergaben, sondern auch in mindestens zwei Fällen um den Verdacht der Untreue gegen zwei Ex-Direktoren von südsteirischen Raiffeisenbanken.

Auch die Steuerfahnder haben sich eingeschaltet, und kürzlich erstattete sogar der Raiffeisenverband selbst Strafanzeige gegen den (mittlerweile enthobenen) Direktor einer südsteirischen Bank: Der Mann soll Kreditspesen in die eigene Tasche gewirtschaftet haben.

Die verschiedenen Teile der Affäre haben freilich nur indirekt miteinander zu tun. Am brisantesten ist wohl der Fall der Raiffeisenbank St. Stefan-Jagerberg-Wolfsberg: Deren früherer Direktor August W. (62) soll von 2007 bis 2009 dubiose Kredite ohne taugliche Kreditverträge an kroatische Kunden vergeben haben. Dadurch soll der Bank ein Schaden von bis zu 20 Millionen Euro entstanden sein. Derzeit haften laut Polizeibericht allein bei dieser Bank rund 100 Millionen Euro an offenen Kroatien-Krediten aus.  Gegen W. wird wegen Untreue und Steuerhinterziehung ermittelt, weil er Geldflüsse über eine Immobilienfirma geleitet haben soll, an der er indirekt beteiligt war.  Als „Strohmann“-Geschäftsführerin wurde zum Schein die Ehefrau des Bankdirektors bestellt.

Prüfer stellten Unregelmäßigkeiten fest

Die Bank vergab etwa einen Kredit von zwei Millionen Euro an die kroatische Firma Jul Tim d.o.o. Zu diesem Vorfall heißt es im Bericht der Steuerfahnder: „In seiner Einvernahme gab W. an, dass insgesamt 632.760 Euro aus diesem und weiteren Vorfällen an ihn geflossen sind.“ Dieses Geld dürfte jedenfalls nicht versteuert worden sein. Laut Bericht ist für die Fahnder aber noch unklar, ob es sich um „Einkünfte aus Provisionen“ handle oder ob das Geld aus „Untreuehandlungen“ gegenüber Raiffeisen stamme.
Im Jahr 2011 wurde W. als Bankdirektor abgelöst, erhielt aber einen Konsulentenvertrag. Erst nach einer von der Österreichischen Nationalbank durchgeführten Prüfung, die „Unregelmäßigkeiten in der Geschäftsgebarung“ der Bank feststellte, wurde der Konsulentenvertrag Anfang 2013 aufgelöst. W. schloss mit der Bank einen zivilrechtlichen Vergleich, wonach er sich zum Schadenersatz in Höhe von zehn Millionen Euro für „Fehlleistungen“ verpflichtete. Sein Anwalt Markus Schaller – nicht verwandt mit dem Chef der Raiffeisen-Landesbank, Martin Schaller –, teilt mit, dass W. sich derzeit öffentlich nicht äußern will. Für W. und die anderen Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung.

Strafanzeige eingebracht

Ein anderer Fall spielt in einer südsteirischen Raiffeisenbank (der Redaktion bekannt): Dort soll der Bankdirektor bei einem 50.000-Euro-Kredit 8000 Euro als „Bearbeitungsgebühr und Spesen“ für sich abgezweigt und mit einem slowenischen Kreditvermittler geteilt haben. Anfang November erfuhr der Raiffeisenverband von diesem Verdacht. Am 6. November erstattete der Verband vorsorglich Strafanzeige und schloss sich dem Verfahren als Privatbeteiligter an. Der betreffende Bankdirektor ist inzwischen bei Raiffeisen ausgeschieden.

Die „Anti Fraud Unit“ von Raiffeisen arbeitet jedenfalls auf Hochtouren. Denn neben diesen Einzelfällen gibt es auf breiter Basis Riesenprobleme mit kroatischen Krediten. Rund 15 bis 20 steirische Raiffeisenbanken sind betroffen – sie haben in den letzten Jahren gigantische Summen an offenbar nicht zahlungsfähige kroatische Kunden vergeben, wobei einige kroatische Kreditvermittler die Fäden zogen. Insgesamt soll die aushaftende Summe 280 Millionen Euro betragen, rund drei Viertel der Kreditnehmer sollen in Zahlungsverzug sein.

Die Kroatien-Geschäfte wurden mittlerweile völlig eingestellt, Raiffeisen hat den Bank-Sanierer Michael Spitzer als Sonderbeauftragten zur Schadensbegrenzung in Kroatien engagiert.