In Österreich läuft das normalerweise so ab: Ein paar Herren mittleren Alters - Wirtschaftsbosse und Gewerkschaftschefs eben - setzen sich hinter verschlossenen Türen zusammen, feilschen ein paar Stunden, Tage, vielleicht Wochen. Am Ende einigen sie sich still und leise über eine Lohnerhöhung, mit der beide Seiten leben können. Auf Wiedersehen, bis zum nächsten Jahr.

Heuer ist alles anders. Die Kollektivvertragsrunden der chemischen, der Textil- und der Elektroindustrie sind vorerst gescheitert, die Fronten zwischen Druckern und Verlagen verhärtet. "Die Arbeitgeber zeigen in den Lohnverhandlungen null Bewegung", sagt Rainer Wimmer, Vorsitzender der Gewerkschaft Metall-Textil-Nahrung: "Das ist der Punkt, wo wir Flagge zeigen müssen." Er ruft mit drei anderen Gewerkschaften - jene der Privatangestellten, der Chemiearbeiter sowie Bau-Holz - zu einer Demonstration am 13. Mai in Wien auf. Die Organisatoren erwarten "mindestens 15.000 Teilnehmer", darunter viele freigestellte Betriebsräte. Alle anderen müssten sich freinehmen, denn Streik wird noch keiner ausgerufen.

"Wir zahlen nicht für eure Krise". Den internen Schlachtruf haben sich die Gewerkschafter vom Verein "Attac" abgeschaut: "Wir zahlen nicht für eure Krise!" Ein Chemiegewerkschafter schimpft hinter vorgehaltener Hand: "Die Arbeitgeber machen doch auch in der Krise noch Profit." Angesichts dieser Rhetorik sehen die Arbeitgeber die Sozialpartnerschaft in Frage gestellt. Der Chefverhandler der Metallindustrie, Hermann Haslauer, verteidigt sich: "Offenbar soll anders als in der Vergangenheit wirtschaftlicher Druck auf ohnehin schwer geprüfte Branchen ausgeübt werden, um Lohnerhöhungen zu erzielen, die wirtschaftlich in keiner Weise zu rechtfertigen sind."

Zwei Millionen Betroffene. Die vier Gewerkschaften vertreten 630.000 Mitglieder, insgesamt arbeiten rund zwei Millionen Menschen in diesen Branchen. Zur Gemeinschaftsaktion habe man sich entschlossen, "weil sich auch die Arbeitgeber absprechen", sagt Wimmer. Die anderen Gewerkschaften, - Dienstleister oder Beamte - sind eingeladen, sich anzuschließen. Fritz Neugebauer, Chef der Gewerkschaft öffentlicher Dienst, wusste gestern Nachmittag, als ihn die Kleine Zeitung in Brüssel erreichte, freilich noch nichts davon. Er hat andere Pläne: "Anfang September werden wir uns das wirtschaftliche Umfeld anschauen", sagt er, "dann geht es in den Clinch." Er meint die Lohnverhandlungen mit Beamtenministerin Gabriele Heinisch- Hosek.

Feindbild. Diese wird von manchen Belegschaftsvertretern bereits zum Feindbild stilisiert. "Die Verhandlungsführung beim Budget war unter jeder Kritik", findet Klaus Schröder, Vorsitzender der Sektion Richter und Staatsanwälte, Heinsich-Hosek habe "jegliche Sachargumente abgewürgt". Er und seine Kollegen kritisieren Justizministerin Claudia Bandion-Ortner zwar dafür, dass diese den Postenabbau in ihrem Ressort als machbar darstellt. Aber eigentlich, behaupten sie, wollten sie Bandion-Ortner damit nur den Rücken im weitern Kampf gegen Heinisch-Hosek stärken.

Ärger bei Justiz und Finanz. Die zweite Strategielinie der Beamten im Kampf um mehr Planstellen und Lohn: "Es besteht die Gefahr, dass die Staatsanwaltschaft nicht mehr gründlich ermitteln kann", meint Schröder. Und Grete Gerstgrasser, höchste rote Vertreterin der Finanzbediensteten, droht: "Die Arbeitnehmerveranlagungen könnten etwas länger dauern." Noch wirft Neugebauer nicht sein ganzes Gewicht für die Justiz- und Finanzbediensteten in die Schlacht, wie er es für die Lehrer getan hat. Wo ist der Unterschied? "Hier geht es nicht darum, dass junge Kollegen ihren Arbeitsplatz verlieren, sondern darum, dass es keine zusätzlichen Posten gibt", sagt er.

Solidarität. Sowohl der schwarze Neugebauer als auch die roten Gewerkschaftsbosse aus der Wirtschaft betonen, dass sie mit den jeweils anderen solidarisch seien. Arbeitnehmer sei Arbeitnehmer. Und doch spürt man einen Hauch von Neid, ausgerechnet unter den Beamten selbst. Finanzerin Gerstgrasser sagt: "Wir waren immer die Musterschüler. Aber in den anderen Ressorts gibt es noch Rationalisierungspotential."