Nach den Rekordverlusten der vergangenen Tage kam es am Freitag für die Wiener Börse noch schlimmer. Weil der ATX gleich zu Handelsbeginn um mehr als zehn Prozent in Tiefe stürzte, musste der Handel bis Mittag - zum ersten Mal in der Geschichte des Leitindex - überhaupt ausgesetzt werden.

Kurse sackten nach unten. Erneut waren die Vorgaben aus Asien desaströs gewesen, im Gleichschritt mit Wien sackten auch die Kurse in anderen europäischen Hauptstädten nach unten. In der Regel, man hat es erst vor wenigen Tagen in Moskau erlebt, wird der Handel an einer Börse dann ausgesetzt, wenn Panikreaktionen drohen. Es ist gewissermaßen ein verordnetes Durchschnaufen.

Neues Regelwerk. Die Wiener Börse und die Aufsichtsbehörden begründeten die Maßnahme mit dem seit gestern neuen Regelwerk des Börsenstandortes. Die neuen Regeln erlauben der Wiener Börse, bis auf weiteres bei Kursänderungen von mehr als zehn Prozent den Handel in diesem Wertpapier befristet oder bis auf Widerruf aussetzen. Darüber hinaus kann das so genannte Short-Selling (siehe Infobox) für einzelne oder alle Titel untersagt werden. Zahlreiche Händler waren ob der Aussetzung in Rage. Damit habe man vieles nur schlimmer gemacht, so der Tenor unter einigen Händlern.

Schlimmste Börsenwoche. So ging gestern also die schlimmste Börsenwoche in der Geschichte zu Ende. Der ATX hat binnen fünf Werktagen 18 Prozent eingebüßt, seit Anfang des Jahres sind es 55 Prozent. Bei Finanztiteln wie Raiffeisen International (RI) wurde seit Jahresbeginn ein Börsenwert von zwölf Milliarden Euro vernichtet. Neben RI ist auch die Voest oder Wienerberger an der Börse nur noch ein Drittel von dem wert, was sie noch zu Jahresbeginn wert waren.

DAX ging bergab. Auch in Deutschland ging es mit dem Dax um vier Prozent bergab. In New York zeichnete sich zu Handelsbeginn ein Desaster ab, der Dow Jones gab zweistellig nach, drehte dann aber sogar kurzzeitig ins Plus. Das Glück währte nur kurz, der US-Index rutsche neuerlich ab. Auch die Frage, ob die Krise der Finanzmärkte bereits zu einer Krise der Realwirtschaft ausgewachsen ist, wird nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand bejaht.

"Alle sind betroffen" "Das ist ein Finanz-Tsunami, der mit nichts vergleichbar und auch schon in der Realwirtschaft angekommen ist" sagt etwa KTM-Chef Stefan Pierer gegenüber der Kleinen Zeitung. Auch das kleine Österreich sei hier betroffen und zwar vom Unternehmer bis hin zum Konsumenten. Pierer glaubt auch nicht an ein baldiges Ende der Krise. Das Hauptproblem sei der Vertrauensverlust der Banken untereinander. Kein Institut leihe dem anderen mehr Geld. "Damit gibt es praktisch keine Kreditlinien mehr."

Kritische Situation. Ein Befund, dem sich auch der Chef der Beteiligungsholding UIAG, Herbert Paierl, anschließt: "Die Situation ist sehr, sehr kritisch. Es gibt keinen Grund mehr mit Maßnahmen zu zögern und schon gar keinen für falschen Optimismus." Bisher haben keine der Hilfsmaßnahmen eine Besserung gebracht, weder die hunderten Milliarden Dollar schweren Hilfspakete noch die Leitzinssenkung. "Man muss das auf europäischer Ebene regeln und zwar dringend", so Paierl. Eine weitere Zinssenkung wäre zwar ein richtiges Signal, bringe aber nur dann etwas, wenn man für Liquidität auf den Märkten sorge. "Das kann national nicht bewältigt werden." Auch Paierl sieht die Krise schon in der Realwirtschaft angekommen. "Es wird um Jobs gehen. Wenn nicht mehr produziert werden kann, gibt es auch keine Arbeitsplätze."