Sie sprechen heute in Klagenfurt zum Thema Gewalt am Arbeitsplatz. Eingeladen hat die Hypo Group Alpe Adria, deren Belegschaft gerade mit einem teilweisen Firmenverkauf konfrontiert ist. Werden Mitarbeiter in Zeiten von Fusionen und unsicheren Arbeitsplätzen destruktiv?
THOMAS MÜLLER: Zur Hypo konkret kann ich nichts sagen. Allgemein sind drei Gründe ausschlaggebend. Der Betreffende muss schon längere Zeit (etwa sechs Monate) Stress ausgesetzt sein, er hat private Probleme (etwa eine Scheidung) und er identifiziert sich nicht mehr mit seinem Betrieb. Dann versucht er sein Selbstwertgefühl zu heben, indem er das von anderen senkt. Das reicht vom Griff in die Kassa, anonymen Briefen, Zerstörung von Daten, bis zu Mobbing, Nötigung und Mord. Das Büro wird vom Ort der Erfüllung zum Ort der Entleerung.

Wieso verlassen die Leute nicht einfach die Firma?
MÜLLER: Das war einmal. Heute ist der Arbeitsplatz viel mehr wert.

Wie viele Betriebe sind von "Workplace Violence" betroffen?
MÜLLER: Laut Studien jeder zweite. Bei mehr als 200 Beschäftigten sogar 62 Prozent. Die Dunkelziffer dürfte höher sein. Übrigens: Finanzdienstleister sind besonders betroffen.

Das schreit nach einem guten Tipp für die Manager. . .
MÜLLER: Man kann menschliches Verhalten nicht in fünf Schubladen stecken. Ich kann aber sagen: Firmenbesitzer und Geschäftsführer sollen nicht glauben, dass reines Fachwissen für eine Postenbesetzung ausreicht, sondern auch das Alter und die Erfahrung etwas zählt. Es nützt nichts, wenn jemand nobelpreisverdächtig ist, aber in einer Krise nicht mit fünf Mitarbeitern reden kann.

Es krankt am Kommunikationsdefizit der Manager?
MÜLLER: Das zu sagen wäre vermessen. Aber die Kommunikation auf unterschiedlichen Ebenen muss man erst zusammenbringen. E-Mails aus Tokio und rasen wie ein ICE-Zug. Aber jemandem zuzuhören und ihm Fragen zu stellen - das kostet die Zeit einer Dampflokomotive. Gespräche werden immer oberflächlicher.

Welche Rolle spielt der Generationenkonflikt?
MÜLLER: Ein Beispiel: Ich kenne Firmen, die schmeißen jedes Jahr zehn Prozent der ältesten Mitarbeiter hinaus. Das halte ich für eine sehr schlechte Idee.

Schlägt sich Gewalt am Arbeitsplatz auch in den Bilanzen nieder?
MÜLLER: Ein einziger Mobbing-Fall kann eine Firma 5000 bis 20.000 Euro kosten. Allein durch die mindere Arbeitsleistung und die höhere Fluktuation. Das Thema Gewalt am Arbeitsplatz ist eine Herausforderung für die nächsten zwei Generationen.