Es könnte eine der wichtigsten wirtschaftspolitischen Entscheidungen des Jahres sein - und sie wurde verkündet wie ein behördlicher Formalakt: Chinas Zentralbank veröffentlichte auf ihrer Webseite eine Pressemeldung, deren Überschrift nur zur Hälfte lesbar war und lediglich durch das daneben blinkende Wort "new" ins Auge fiel: "Weitere Reform des RMB-Wechselkursregimes und Weiterentwicklung der RMB-Wechselkursflexibilität" lautete der nüchterne Titel, der weltweit umgehend als Signal interpretiert wurde, dass Peking nach monatelangem politischem Tauziehen zu einer Aufwertung seiner Währung bereit ist.

Westliche Regierungen, insbesondere die der USA, werfen der Volksrepublik vor, dass der fest an den US-Dollar gekoppelte Renminbi (RMB, auch Yuan genannt) massiv unterbewertet sei und eine massive Verzerrung des internationalen Wettbewerbs bewirke, weil er Chinas Exporte künstlich verbillige.

Obwohl Peking die Kritik stets abgelehnt hatte, ist die Regierung nun offenbar zu dem Schluss gekommen, dass eine Änderung des Währungssystems auch im chinesischen Interesse ist. Die Bindung an den Dollar werde aufgehoben, hieß es in der Meldung. Stattdessen werde man den Yuan-Kurs künftig stärker nach "Angebot und Nachfrage, in Bezug auf einen Währungskorb" bestimmen. Zur Zusammensetzung des Währungskorbs machte China keine Angaben. US-Präsident Barack Obama begrüßte die chinesische Ankündigung. "Chinas Entscheidung, die Flexibilität seines Wechselkurses zu erhöhen, ist ein konstruktiver Schritt, der bei der Sicherung des Aufschwungs helfen und zu einer ausgewogeneren Weltwirtschaft führen kann".

Ausgewogenes Wachstum

Obamas Finanzminister Timothy Geithner, der noch vor einer Woche den Druck auf China erhöht und indirekt mit Strafzöllen auf chinesische Produkte gedroht hatte, erklärte: "Eine entschlossene Umsetzung wäre ein positiver Beitrag zu einem robusten und ausgewogenen, globalen Wachstum." Der Direktor des IWF, Dominique Strauss-Kahn, sprach von einer "ermutigenden Entwicklung". Wie weit Peking den Yuan diesmal steigen lassen will, ist unklar. Westliche Ökonomen halten die Währung für bis zu 40 Prozent unterbewertet. Experten gehen davon aus, dass Peking den Währungskurs nicht sprunghaft korrigiert, sondern wie in der Vergangenheit über einen längeren Zeitraum schrittweise aufwerten wird.

Westliche Industrienationen gehen ihrerseits davon aus, dass eine Yuan-Aufwertung sich positiv auf ihre Exporte nach China auswirken und den Preisdruck auf einheimische Industrien verringern wird. Entwicklungs- und Schwellenländer erhoffen sich von einem stärkeren Yuan ebenfalls eine Verbesserung ihrer Wettbewerbsfähigkeit.

Dass Peking die Änderung seines Währungssystems wie beiläufig verkündete, dürfte kein Zufall sein. Chinas Regierung hat stets betont, sich in der Yuan-Frage nicht unter Druck setzen lassen zu wollen. Noch vergangene Woche hatte Außenamtssprecher Qin Gang erklärt, Peking verbitte sich auf dem, am kommenden Wochenende im kanadischen Toronto stattfindenden, G20-Gipfel eine Diskussion über seine Währung. Doch nun dürfte der Yuan für die anreisenden Staats- und Regierungschefs ein Hauptthema werden. Der Yuan erreichte gestern - gegenüber dem Dollar - den höchsten Stand seit fünf Jahren. An den Börsen wurde diese Entwicklung überaus positiv aufgenommen. Die Kurse kletterten europaweit nach oben.