Che vergogna! Was für eine Schande! Da saß er, der mächtigste Mann der achtstärksten Industrienation der Erde, und leugnete stur das Unleugbare. "Es gibt keine Krise in Italien, die Restaurants und die Urlaubsorte sind voll", sagte Silvio Berlusconi in Cannes.

Das sollte zum Abschluss des Gipfeltreffens der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) optimistisch klingen.

Aber das Dauergrinsen war aus dem Gesicht von Italiens Ministerpräsidenten gewichen. Übrig blieb eine stark geschminkte, wächserne Maske: der Cavaliere auf seinem letzten Ritt - ein trauriger Bajazzo.

Nach 17 Jahren Berlusconi haben nicht nur die internationalen Finanzmärkte das Vertrauen in Italien verloren. Das hoch verschuldete, durch die Untätigkeit seines Premiers gelähmte Land muss sich jetzt sogar der Kontrolle des Internationalen Währungsfonds (IWF) unterwerfen. Es wird unter Sparaufsicht gestellt. Darauf haben sich die mächtigsten Staatenlenker der Welt in Cannes verständigt.

Ein Monitoring durch die Aufpasser aus Washington gilt als erster Schritt in Richtung umfangreicherer Hilfsprogramme. Mit anderen Worten: Die Euroländer bereiten sich auf den Notfall Italien vor.

Schlimme Demütigung

"Italien hat aus eigenem Antrieb beschlossen, den IWF um Überwachung seiner Reformen zu ersuchen", verkündete EU-Kommissionschef José Manuel Barroso. Das ist zugleich die offizielle Sprachregelung des G-20-Abschluss-Kommuniqués. Nur einer sah das anders, Berlusconi selbst. Er sprach von einem "Angebot" des Internationalen Währungsfonds, das er nicht habe ablehnen können.

Tatsächlich dürften die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der französische Präsident Nicolas Sarkozy, IWF-Chefin Christine Lagarde und nicht zuletzt der amerikanische Präsident Barack Obama bei einem Sondertreffen in der Nacht auf Donnerstag in Cannes ihrem "caro amico" Silvio auf die Sprünge geholfen haben.

Für eine stolze Nation wie Italien, die zu den Gründungsmitgliedern der Europäischen Union gehört, ist die internationale Überwachung eine schlimme Demütigung. Zwar wirft bereits die EU-Kommission ein Auge auf Roms Sparanstrengungen. Aber mit der Einschaltung des IWF wird die Gangart gegenüber der heillos zerstrittenen Rechtsregierung in Rom noch einmal verschärft. "Il bel paese" ist das erste Euroland, das sich von externen Kontrolleuren in die Bücher schauen lassen muss, ohne bereits Hilfen in Anspruch zu nehmen. Es wird prophylaktisch unter Beobachtung gestellt. Das hat es noch nie gegeben.

Furcht vor Flächenbrand

Aber der Ernst der Lage lässt den Eurorettern und ihren G-20-Partnern keine Wahl: Die 1,85 Billionen Euro, die das Land an Schulden aufgetürmt hat, das politische Chaos und der drückende Reformstau haben das Vertrauen der Finanzmärkte in die Solidität Italiens in den vergangenen Monaten dramatisch untergraben.

Strauchelt aber Italien, dann würde das nicht nur Europa in seinen Grundfesten erschüttern. Es hätte unabsehbare Folgen für die Weltwirtschaft insgesamt. Italiens Problem sei seine "fehlende Glaubwürdigkeit", sagte IWF-Chefin Lagarde in Cannes.

Hauptzweck des Unterfangens ist es also, zur Beruhigung der Märkte beizutragen. Schon Ende des Monats werden Inspektoren des IWF nach Rom reisen, um einen Blick in die Bücher zu werfen und zu überprüfen, wie weit die Reformen gediehen sind, die Berlusconi den Euro-Partnern vor einer Woche beim Gipfel in Brüssel hoch und heilig versprochen hatte. Konkret geplant sind vierteljährliche Berichte, die auch veröffentlich werden sollen.

Mit der Überwachung Italiens durch den IWF wird dessen Rolle bei der Bekämpfung der Schuldenkrise enorm gestärkt - zulasten der EU-Kommission. Zugleich ist es das Eingeständnis der Europäer, dass sie mit der Krise überfordert sind.