Wenn Schweizer derzeit in den Euroländern Ferien machen, dann genießen sie nicht nur ihre freie Zeit. Sie kommen auch in den Genuss eines starken Franken: Seit anderthalb Jahren jagt die eidgenössische Währung von einem Allzeithoch zum nächsten. Im Juni 2010 mussten für einen Euro noch 1,42 Franken gezahlt werden. 2007 waren es sogar 1,68 Franken. Doch Anfang Juli 2011 fiel der Euro auf 1,14 Franken, der bisherige Rekord. Daran ändert auch die Einigung am EU-Sondergipfel wenig: Nach einer kurzen Aufwertung des Euro rutschte er wieder in die roten Zahlen. Über 1,17 kommt er derzeit nicht hinaus.

Das hat seine Schattenseiten, nicht nur für Inhaber von Frankenkrediten in Österreich. Besonders stark leidet auch die Schweiz selbst, vor allem der Tourismus. "So wenig Gäste habe ich noch nie im Oberengadin gesehen", sagt die Inhaberin einer Weinhandlung im schicken und teuren Bündner Hochtal. Ein paar Kilometer weiter in Tirol und Südtirol ist eben alles viel billiger. Das wissen nicht nur die Gäste aus Euroländern, sondern auch die Schweizer. Das Problem der Anbieter gerade in den Bergen: ihre Angebote ähneln jenen der Konkurrenz in Österreich. Da haben es die Konkurrenten in den Städten besser: Zürich macht sein Geschäft mit Geschäftsreisenden, Genf auch mit Diplomaten.

Gewinne schmelzen

Auch die Schweizer Exportwirtschaft ist betroffen. Der Pharmakonzern Roche und der Genfer Warenprüfkonzern SGS haben Umsatz und Gewinn in lokalen Währungen gesteigert, aber in Franken gerechnet bleibt ein Minus hängen. Gut dran ist, wer wie der schwedisch-Schweizer Technologiekonzern ABB in einer anderen Währung abrechnet.

Schlechter geht es den Unternehmen, deren Produkte schlicht zu teuer werden. Das betrifft viele Zulieferer etwa in der Maschinenindustrie, deren Konkurrenz im nahen Süddeutschland nun mit einem Mal viel günstiger dasteht.

Die Lage sei alarmierend, sagt denn auch Johann Schneider-Ammann. Doch der Wirtschaftsminister kann nicht viel tun. Zwar bespricht er mit seinen sechs Kollegen in der Landesregierung trotz Ferien die Frankenstärke in regelmäßigen Telefonkonferenzen. Aber die Handlungsmöglichkeiten sind beschränkt.

Nationalbank gibt auf

Die Nationalbank - ohnehin unabhängig - hatte im Frühjahr 2010 den Euro bei 1,42 Franken halten wollen. Dann gaben sie auf. Das kam die Währungshüter so teuer zu stehen, dass sie für 2010 einen Jahresverlust von 21 Milliarden Franken ausweisen musste. Seither steht Nationalbankchef Philipp Hildebrandt so sehr in der Kritik wie kaum einer seiner Vorgänger. Diskutiert wird auch eine einseitige Anbindung des Franken an den Euro - ein Wunsch der Sozialdemokraten. Doch damit würden die traditionell niedrigen Zinsen auf EU-Niveau steigen und jeden Hausbesitzer und jeden Mieter treffen. Auch ein Instrument der 1970er-Jahre wird wieder aus der Versenkung geholt: Damals mussten Ausländer für Anlagen in Franken Strafzinsen zahlen. Damit konnte eine Aufwertung gegenüber der D-Mark um 40 Prozent gestoppt, aber nicht rückgängig gemacht werden. Auf der Wunschliste der Exportwirtschaft stehen etwa auch Steuersenkungen - aber dafür sind die Kantone zuständig.

Viele Unternehmen helfen sich nun selbst: Sie kaufen vermehrt im Ausland ein oder verlangen von ihren Zulieferern auch in der Schweiz Rechnungen in Euro. Das können nicht alle Unternehmen wegstecken. Daher befürchten gerade Vertreter von kleineren und mittleren Unternehmen ein Massensterben in naher Zukunft.

Aber es gibt auch Profiteure: Wer importierte Produkte in der Schweiz verkauft, reibt sich die Hände. Denn nur wenige Unternehmen reichen die Währungsgewinne an die Konsumenten weiter. Apple hat gerade eine Senkung seiner Preise um 10 Prozent angekündigt, Renault wirbt mit einem "Eurobonus" um Autokäufer. Ansonsten müssen die Schweizer Verbraucher schon ins nahe Ausland fahren, um zu profitieren. Das schadet der Umwelt, nutzt aber dem Geldbeutel.