Nach der Herabstufung der Kreditwürdigkeit Portugals hat die Wut der Politik auf die Ratingagenturen einen neuen Höhepunkt erreicht. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble droht damit, ihre Macht zu "brechen". Der Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), Jean-Claude Trichet, beklagt eine oligopolistische Struktur.

EU-Binnenkommissar Michel Barnier prüft, gestützte Euro-Staaten der Bewertung zu entziehen. Die Bonitätsprüfer werden in Europa zwar mittlerweile umfassend beaufsichtigt, doch rollt jetzt eine neue Regulierungswelle auf sie zu. Unersetzbar bleiben sie trotzdem, denn die Politik hat bisher keine Antwort auf die Frage, wie sich globale Finanzströme ohne Bonitätsprüfungen durch unabhängige Dritte organisieren lassen.

Vor der Finanzkrise agierten die Bonitätswächter tatsächlich im luftleeren Raum, eine Regulierung fand nicht statt. Das hat sich mit der EU Richtlinie CRA I geändert, die 2010 in Kraft trat. Seitdem dürfen die Agenturen keine Finanzprodukte mehr bewerten, an deren Strukturierung sie beteiligt waren. Auch müssen sie etwa ihre Methoden offenlegen und sich von der EU-Finanzaufsicht ESMA kontrollieren lassen. Bei Verstößen drohen ihnen empfindliche Bußgelder. Schließlich muss das Management geeignet sein, und Analysten müssen regelmäßig ihre Bereiche wechseln.

Junge Richtlinie

Seit dem 1. Juli 2011 werden die Ratingagenturen unter der Richtlinie CRA II alleine von der Europäischen Aufsichtsbehörde ESMA kontrolliert. Zuvor standen sie in Deutschland unter der Aufsicht der Bafin. All diese neuen Standards gelten auch für die drei großen amerikanischen Ratingagenturen Standard & Poor's, Moody's und Fitch, wenn sie in Europa tätig sind.

Die EU-Kommission arbeitet bereits an noch strengeren Regeln, im Herbst will sie einen Vorschlag machen. Diskutiert wird, ob die Bewertungen für Staaten anders behandelt werden sollen als für private Emittenten und ob die Agenturen Regierungen früher über eine bevorstehende Herabstufung informieren sollen. Außerdem erwägt Barnier, hoch verschuldete Staaten, die auf Hilfskredite angewiesen sind, zeitweise der Bewertung zu entziehen. Das hatte bereits Frankreich ins Gespräch gebracht. Dagegen spricht aber, dass es ein Land ohne Rating erst recht schwer hätte, an den Kapitalmarkt zurückzukehren.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso ging sogar so weit, eine Haftung der Agenturen für Fehlurteile anzuregen. Dies war in der zuständigen EU-Generaldirektion aber verworfen worden, da es allein schon schwierig zu beurteilen ist, ob ein Rating falsch oder richtig ist. Barroso sprach sich außerdem dafür aus, eine eigene europäische Rating-Agentur aufzubauen. Die Kommission will zudem die Abhängigkeit von den Agenturen reduzieren, indem die Gesetze wie die Eigenkapitalregeln für Banken in Zukunft weniger Bezugnahmen auf Ratings erfordern.

Automatismus verringern

Auch in Deutschland stehen die Ratingagenturen auf dem Prüfstand. So heißt es im Entwurf für einen Entschließungsantrag der Koalitionsfraktionen, auf der Basis der Vorarbeiten der EU sollten Maßnahmen entwickelt werden, mit denen die automatische Verwendung von Ratings verringert werden kann. Dahinter steckt das Problem, dass es kaum ein Finanzgeschäft und auch keine staatliche Vorschrift für Finanzinstitutionen gibt, die ohne Ratings auskommen. So müssen Banken und Versicherungen ihre Aktiva in der Bilanz neu bepreisen, sobald sich Ratings ändern.

In die Bewertungen selbst will der Gesetzgeber bisher nicht eingreifen. Denn den Investoren nutzen Einschätzungen der Kreditwürdigkeit nur etwas, wenn sie unabhängig sind. Das ist aus Sicht der Anleger auch wichtig, um einen neutralen Blick auf die Risiken etwa von Staatsanleihen zu bekommen. "Da stört politischer Einfluss enorm", heiß es etwa in einer Fondsgesellschaft.

Einen Ersatz für die Bonitätswächter gibt es nicht. Das betont auch die ESMA: "Ratingagenturen werden auch weiter eine wichtige Rolle im Finanzmarkt spielen", sagt ein Sprecher der Behörde. "Die Aufsicht kann ihre Rolle nicht übernehmen." Die ESMA müsse vielmehr sicherstellen, dass Prozesse und Methoden der Agenturen den strengen Anforderungen der EU-Regulierung entsprechen. Diese zu definieren, ist die Aufgabe der Politik.