S ie haben für heuer das "Jahr des Briefes" ausgerufen. Es gibt aber weiterhin Rückgänge im Briefgeschäft. Wie fällt Ihre Zwischenbilanz aus?

GEORG PÖLZL: Eigentlich besser als erwartet. Wir sehen, dass sich die vielen Aktivitäten, die wir in diesem Segment setzen, bezahlt machen. Der Rückgang war mit minus 1,8 Prozent im ersten Halbjahr geringer als erwartet.

Lässt sich etwas wie der klassische Brief überhaupt revitalisieren?

PÖLZL: Wir werden den Trend der elektronischen Substitution nicht stoppen. Wir können den Rückgang aber dämpfen. Wir wissen durch Untersuchungen auch, dass 80 Prozent der Kunden wichtige Rechnungsinformationen wie Handyrechnungen in schriftlicher Form erhalten wollen. Der Trend, dass alles über E-Mails läuft oder auf Servern abgerufen werden muss, ist also nicht im Interesse der Konsumenten. Wir fordern hier, im Einklang mit den Konsumentenschützern, dass Kunden ein Recht auf schriftliche Rechnungen haben.

Wie experimentierfreudig kann und muss man sein, wenn der wichtigste Geschäftszweig, also das Briefgeschäft, erodiert?

PÖLZL: Man muss kreativ sein. Das ist auch der Grund, warum wir in die Türkei gegangen sind, nach Südosteuropa und nach Deutschland. Wir testen sehr viele Bereiche um unsere Kernkompetenz herum, etwa aktuell auch die Lebensmittelzustellung. Wir bringen dafür ganz spezielle Boxen nach Österreich, die sind stoßfest, versiegelbar und über 48 Stunden temperaturgeregelt. Wir sind da schon sehr experimentierfreudig. Es gibt fast keine Zustellform, die wir nicht auch testen.

Im September wird die erste reine Selbstbedienungsfiliale eröffnet. Ist das ein Zukunftsmodell?

PÖLZL: Ja, durchaus. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr viele Selbstbedienungsmöglichkeiten entwickelt, Frankierautomaten, Versandboxen, Abholstationen usw. Diese SB-Filiale ist gerade für das flache Land, aber auch als Verdichtung für die Stadt denkbar. Wir haben auch schon 200 Selbstbedienungsfoyers, die Zahl soll noch auf bis zu 500 steigen. Die reine Selbstbedienungsfiliale ist ein nächster konsequenter Schritt. Ich halte das für ein spannendes Modell.

Wie sieht es beim Filialnetz aus?

PÖLZL: Wir haben heute rund 500 eigenbetriebene Postgeschäftsstellen und 1400 Postpartner, die aber den Vorteil längerer Öffnungszeiten bieten. So radikale Veränderungen wie in den vergangenen vier Jahren wird es nicht mehr geben. 2010 und 2011 haben wir eigenbetriebene Kleinstfilialen radikal geschlossen und mehr als 1000 Postpartner ans Netz genommen. Auch dieser große Umbau ist bewältigt.

Hat die Post trotzdem noch zu viele Mitarbeiter?

PÖLZL: In Österreich schrumpfen wir, wir werden hier also weiterhin sozial verträglich den Mitarbeiterstand anpassen und die natürliche Fluktuation nutzen. In den vergangenen Jahren ist die Mitarbeiterzahl um zwischen 250 und 500 Mitarbeiter pro Jahr gesunken.

Unter die Kategorie natürliche Fluktuation fallen aber auch Frühpensionierungen, für die Sie heuer mit viel Kritik vom Rechnungshof bedacht wurden. Wie haben Sie darauf reagiert?

PÖLZL: Wir haben das zum Anlass genommen, um noch stärker auf Gesundheitsvorsorgeprogramme zu fokussieren. Viel mehr können wir da nicht machen. Bei der Kritik ist nämlich untergegangen, dass es bei der Post ja kaum Frühpensionierungen im eigentlichen Sinn gibt, sondern gesundheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit. Briefträger leisten Schwerarbeit, viele von ihnen haben ganz jung begonnen. Wenn die dann Mitte, Ende 50 sind, dann haben sie bereits 40 Jahre Zustellung am Buckel.

Zuletzt ist von Belegschaftsvertretern massive Kritik an Arbeitsbedingungen und Überlastung durch größere Zustellgebiete laut geworden. Zu Recht?

PÖLZL: Die Post hat traditionell eine sehr starke Gewerkschaftsorganisation, deren Hauptaufgabe es ist, auf sich aufmerksam zu machen. Die Kritik ist in vielen Bereichen fachlich und sachlich nicht gerechtfertigt. Auch gewerkschaftsintern herrschen zwischen den zwei großen Fraktionen sehr große Rivalitäten. Es ist dann oft nicht so sehr das Ziel, dass im Unternehmen wirklich etwas besser wird. Die christliche und die sozialdemokratische Fraktion sind annähernd gleich stark, im Oktober gibt es Personalvertretungswahlen, das spielt eine große Rolle.

Sehen Sie nicht trotzdem Punkte, wo Sie etwas verbessern müssen?

PÖLZL: Selbstverständlich. Wir müssen etwa an den Führungsstrukturen und Führungskräften arbeiten. Da gibt es Defizite, da müssen wir besser werden. Wir sind auf einem guten Weg. Sind wir am Ziel? Nein.

Welche Erfolgsindikatoren sind für Sie am wichtigsten?

PÖLZL: Die Akzeptanz in den Märkten ist wichtig. Wenn ein Unternehmen Vertrauen genießt, dann entwickelt sich auch der Aktienkurs gut. Nur deswegen ist das schon auch ein guter Indikator, der sehr umfassend ist. Dahinter verbergen sich drei Dimensionen. Die Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit des Unternehmens, aber eben auch die Zufriedenheit der Kunden und natürlich auch die Mitarbeiterzufriedenheit.

Wie sieht's damit aus?

PÖLZL: Wir haben vor einem Jahr die erste Mitarbeiterzufriedenheitsstudie durchgeführt. Da hat es von Teilen der Gewerkschaft sofort einen riesigen Aufschrei gegeben. Es gab die haltlose Behauptung, dass das eine Bespitzelungsaktion ist. Es ist aber ganz wichtig, Mitarbeiter zu fragen, wie es ihnen eigentlich geht. Es ist nicht das Ziel, dass man jeden in Watte packt. Aber es ist das Ziel, dass jeder ein gutes Arbeitsumfeld hat und einen Job ausübt, in dem er sich gut fühlt, auf den er stolz ist.

Aber die Mitarbeiterzahl sinkt.

PÖLZL: Wenn man einerseits restrukturieren muss, wie sollen sich Mitarbeiter dann andererseits wohlfühlen? Das klingt immer wie ein Widerspruch, das ist aber keiner. Das geht sehr wohl zusammen. Wir müssen profitabel sein, denn ohne Profitabilität gibt's kein Geld für Zukunftsinvestitionen und die Sicherung von Arbeitsplätzen. Ohne zufriedene Kunden gibt es auch kein erfolgreiches Unternehmen und um das zu erreichen, brauche ich stolze Mitarbeiter. Diese Dinge müssen zusammenpassen. Das ist mein Glaubensbekenntnis.

Was kritisieren die Mitarbeiter in den Befragungen?

PÖLZL: In der Zustellung geht es vor allem um die Arbeitsbelastung, das ist kein leichter Job. Wir können aber sagen, dass wir ein sicherer Arbeitgeber sind und auch gut bezahlen, besser als der Mitbewerb. Dann gibt es immer Sorge um die eigene Gesundheit. Der dritte Punkt ist die Kommunikation. Die Mitarbeiter wollen besser verstehen, warum etwas im Unternehmen geschieht. Mitarbeitern Entscheidungen zu erklären, ist eine Führungsaufgabe. Da müssen wir noch viel besser werden.

Viele Unternehmer äußern sich kritisch zur Entwicklung des Wirtschaftsstandortes. Sehen Sie den Standort ebenfalls in Gefahr?

PÖLZL: Österreich ist ein Hochsteuerland. Ich glaube, dass die Österreicher nicht weiter belastet werden können. Die Verwaltungskosten müssen sinken, der Mitteleinsatz lässt doch sehr zu wünschen übrig. Die Staats- und Pensionskosten sind zu hoch. Das Thema wird zum Teil aber sogar negiert. Wenn man vermittelt, dass man da eh kein Problem hat, ist das unaufrichtig. Geht man diese Themen nicht an, fehlt das Geld dort, wo wir es dringend brauchen, etwa in der Bildung. Fällt den Regierenden nicht bald einmal etwas Gscheites ein, dann mache ich mir große Sorgen. Überlegungen wie etwa eine Reichensteuer lösen das Problem nicht. Das ist reine Parteipolitik. Unser Grenzsteuersatz ist ohnehin legendär. Auch die überbordende Bürokratie müssen wir in den Griff bekommen.

Die Post galt lange selbst als Sinnbild einer bürokratischen Hochburg. Ist das erledigt?

PÖLZL: Nein, das ist nicht erledigt. Aber ich glaube, das ist besser geworden und wird weiterhin besser. Am Ziel sind wir nicht. Aber man sieht es der Post heute an, dass wir uns aktiv und bewusst um zufriedene Kunden bemühen. Wir wissen durch regelmäßige Umfragen ganz genau, wo wir Handlungsbedarf haben. Wir haben uns von einer Behörde in Richtung Dienstleistungsunternehmen verändert. Aber fertig sind wir damit noch nicht.