Zuletzt war vermehrt zu vernehmen, dass die wirtschaftliche Situation in der Abfall- und Recyclingbranche alarmierend ist. Trifft das zu?

HANS ROTH: Die Zeiten sind schwierig. Neben der verhaltenen Konjunktur kämpft die Branche auch mit Überkapazitäten. Die Entsorger haben in den vergangenen Jahren sehr viel investiert, etwa in hochmoderne Sortieranlagen. Es gibt Probleme mit der Auslastung dieser Anlagen. Gleichzeitig sind wir von regionalen Aufträgen abhängig, die Verträge werden aber immer kürzer. Es gibt Risiken und Sorgen und die Frage, ob man investieren soll oder nicht.

Wie lässt sich das lösen?

ROTH: Sortieranlagen, die etwa für 22 Millionen Kilogramm Abfall ausgelegt sind, kann man nicht einfach abbauen und woanders wieder aufstellen. Sie müssen ausgelastet sein. Wir brauchen also längerfristige Partnerschaften mit unseren öffentlichen Partnern. Ich kann so eine moderne Sortieranlage nicht in fünf Jahren abschreiben.

Wie sieht die Preisentwicklung bei der Entsorgung aus?

ROTH: Wir haben in Österreich die günstigsten Preise in Europa, in manchen Regionen liegen sie bei 16 Cent pro Person und Tag. Dafür, dass einmal der Restmüll abgeholt wird, einmal das Papier, das Glas und so weiter. Das geht bis hin zu den Anlagen und zur Verwertung. Das sind gewaltige Prozesse. Und trotzdem hören wir immer, geht's nicht noch billiger? Dabei wird Abfallwirtschaft heute auf einem ganz anderen, sehr innovativen Niveau betrieben. Da geht's längst nicht mehr nur darum, den Abfall abzuholen. Es geht um neue Wege der stofflichen Verwertung und Abfallvermeidung. Hier haben wir sehr großes Know-how aufgebaut.

Die öffentlichen Kassen sind vielfach leer, wie sollte da ein Umdenken stattfinden?

ROTH: Bei diesen Preisen kann uns niemand unterstellen, dass wir den Markt ausnützen wollen. Wenn die Wirtschaftlichkeit, die derzeit wirklich nicht gut ist, nicht mehr gegeben ist, dann ist das ein Problem. Wir fordern mehr Ausschreibungen nach dem Bestbieterprinzip. Es sollte nicht nur der Preis zählen, es sind auch ökologische, regionale und soziale Kriterien entscheidend. Die Entsorger sind aus der Regionalität heraus gewachsen, sind vielfach heute noch regionale Familienbetriebe, die viel Geld in Anlagen investiert haben. Es gibt natürlich kein Privileg, dass der regionale Errichter einer neuen Anlage automatisch alle regionalen Aufträge erhält. Aber man sollte ihn dafür auch nicht strafen, mit Ausschreibungen, wo die Regionalität gar keine Rolle mehr spielt.

Im öffentlichen Bild wird immer wieder kritisiert, dass Müll teilweise durch das ganze Land gekarrt wird, um Anlagen auszulasten.

ROTH: Auch das hat damit zu tun. Der Druck steigt, bei reinen Billigstbieterausschreibungen steht man mitunter vor der Wahl: Pest oder Cholera. Es kann doch nicht sein, dass es billiger ist, den Abfall einer heimischen Kommune auf einen Lkw zu laden und nach Frankfurt in eine Riesenanlage zu bringen. Wenn der Auftraggeber nicht will, dass das passiert, dann muss er auch etwas dagegen tun. Dann muss das in der Ausschreibung stehen. Da bitte ich halt die Politik, dass sie das auch berücksichtigt. Aus der Politik vernimmt man ja auch immer die Forderung nach mehr Nachhaltigkeit, Regionalität und Wertigkeit.

Gibt es in der Branche durch den Druck eine Bereinigung?

ROTH: Wirtschaftlich gibt es da und dort eine Bereinigung. Ich habe der Politik daher immer gesagt: Denkt daran, je schwieriger, je ungerechter die Ausschreibungen gemacht werden, desto weniger Entsorger werden übrig bleiben. Für den Wettbewerb ist das nicht gut. Das Risiko wird größer. Was ist die Alternative? Aufgeben oder mehr kooperieren? Ich sage: mehr kooperieren. Untereinander und auch mit der öffentlichen Hand.

Aber auch innerhalb der Branche wird nicht immer zimperlich miteinander umgegangen.

ROTH: Alle stehen unter Zugzwang. Es geht um die Auslastung der Anlagen. Wenn man etwa in eine Anlage für Elektroschrott investiert und dann, um die Auslastung zu erreichen, gewissermaßen dazu gezwungen ist, jeden Auftrag hereinzunehmen, weiß das der Markt. Diese Abhängigkeit schafft Druck. Public-Private-Partnership-Modelle, die sich ja schon bestens bewährt haben, sind ein guter Ansatz. Aber auch Kooperationen untereinander. In Tirol haben zwei Wettbewerber, die immer in starker Konkurrenz zueinander standen, jetzt etwa gemeinsam eine Anlage gebaut. Das ist ein sinnvoller Weg.

Wie entwickelt sich die Recyclingquote?

ROTH: Die Recyclingquote erreicht in einigen Regionen Österreichs mehr als 70 Prozent und mehr. Da sind wir europaweit ganz vorne. Darauf sollten wir auch stolz sein. Gleichzeitig müssen wir uns aber auch fragen, wie man dieses hohe Niveau bestmöglich nützen kann, etwa im Export oder bei den Innovationen. Wenn wir wieder zurückfallen würden, dann sind wir europaweit zwar noch immer auf einem hohen Niveau. Aber garantieren kann ich eines: Die Kosten für die Entsorgung würden kräftig steigen.

Je höher die Recyclingquote, desto günstiger die Preise?

ROTH: Ja. Solange die Menschen selbst aktiv dabei sind und Müll trennen, leisten sie den besten Beitrag zu billigen Preisen. Alles, was weniger ins Recycling geht, geht in den Restmüll und der ist der teuerste Müll von allen.

Wie zufriedenstellend ist die gesetzliche Situation aus Ihrer Sicht?

ROTH: Wir haben in Österreich neun unterschiedliche Abfallwirtschaftsgesetze. Ich würde mir bundesweit ein einheitliches Gesetz wünschen. Weil dann wird der Gewerbemüll in Graz und Klagenfurt gleich behandelt wie in Wien. Derzeit wird er in Österreich neunmal anders behandelt. Im Gewerbebereich sind wir dafür, dass sich jeder Betrieb seinen Entsorger selbst aussuchen kann.