In Deutschland haben zuletzt sieben Versicherungsunternehmen wegen der niedrigen Zinsen das Neugeschäft mit Lebensversicherungen eingestellt. Droht Ähnliches auch in Österreich?

GERALD KOGLER: Deutschland ist anders zu sehen, weil die Unternehmen dort historisch noch ganz andere, viel höhere Garantiezinsen in ihren Beständen haben. Die Branche hat es sich in der Vergangenheit zum Teil selbst schwer gemacht mit dieser Renditetreiberei, wo bis 2008 zum Teil für fondsgebundene Lebensversicherungen fünf, sechs Prozent Rendite garantiert wurden. Das kann es niemals spielen, weil jetzt das Gesamtzinsniveau angepasst werden muss. Ein Problem, das man sich selbst gestrickt hat, war auch, dass man sich mit den Banken gematcht hat. Sinnlos. Wir sind Versicherungen und decken ab dem ersten Tag irgendein Risiko ab, etwa Ableben. Damit wird man nicht reich werden, aber im Schnitt wird man über längere Laufzeiten bei klassischen Lebensversicherungen auf dem durchschnittlichen Marktzins liegen. Und das bei höchster Kapitalsicherheit.

Immer mehr deutsche Versicherer verabschieden sich auch vom Garantiezins. Wird das auch hierzulande ein Thema?

KOGLER: Ob es in Österreich auch garantielose Lebensversicherungen geben könnte, kann ich für den Gesamtmarkt nicht beurteilen. Das macht aber eigentlich auch nichts. Es gibt ja eine Gewinnbeteiligungsverordnung, die besagt, dass in der Bilanzabteilung Leben 80 Prozent des Gewinns dem Versicherungsnehmer zuzuordnen sind. Daher ergibt sich das von selbst, ob ich jetzt eine Garantie drinnen habe oder nicht.

Aber sie ist ein psychologischer Faktor.

KOGLER: Aber der Garantiezins lag schon immer unter dem Marktzins. Die Diskussion ist hier etwas verkehrt. Es ist prinzipiell in Ordnung, dass die Finanzmarktaufsicht sagt, ihr dürft nicht mehr fix zusagen, denn wenn es länger mit diesem Zinsniveau weitergeht, könnte es Probleme geben. Deshalb gibt es einen Höchstzinssatz und einen Garantiezinssatz. Der liegt derzeit bei 1,75 Prozent, aber ausgeschüttet wird an Gewinnbeteiligungen mehr (die Gesamtverzinsung lag 2013 laut Versicherungsverband bei durchschnittlich 3,25 Prozent, Anm.).

Käme es für die Merkur infrage, Lebensversicherungen ohne Garantiezinssatz anzubieten?

KOGLER: Das ist derzeit nicht einmal im Ansatz eine Überlegung. Dafür gibt es schlicht keinen Grund.

Laut einer aktuellen Integral-Umfrage nimmt das Interesse der Österreicher an Geldanlageformen kontinuierlich ab, auch der Zuspruch zu Lebensversicherungen hat abgenommen.

KOGLER: Dieser Markt ist schon sehr schwierig geworden. Auch regulatorisch und steuerlich ist das Umfeld hier nicht einfach und für Neuabschlüsse nicht förderlich. Es gibt trotz Pensionsproblematik wenig Anreize, selbst vorzusorgen. Umgekehrt haben wir immer mehr Geld auf täglich fälligen Sparbüchern liegen, ob das so gescheit ist, weiß ich auch nicht. Ein Sparbuch ist schon okay, nur dort passiert derzeit noch weniger. Das Einzige ist der psychologische Effekt, der bei der Lebensversicherung auch mitschwingt, nämlich die lange Bindungsdauer.

Langfristige Veranlagungen werden gemieden?

KOGLER: Wenn lange genug von Krise geredet wird, wollen viele Menschen ihr Geld lieber täglich verfügbar haben. Auch die steigende Abgabenbelastung wird nicht unbedingt dazu führen, dass die Menschen mehr privat vorsorgen. Weil sich das dann einfach nicht ausgeht. Das ist ähnlich wie beim Thema Pflege.

Die Steiermark war das einzige Bundesland mit Pflegeregress. Jetzt wurde er abgeschafft. Ist das ein richtiges Signal?

KOGLER: Die Diskussion in der Steiermark gab es ja vor allem deswegen, weil es das einzige Bundesland mit Regress war. Ich weiß nicht, ob ein Regress ein gutes Mittel ist. Aber irgendwas werden wir uns hinsichtlich der Finanzierung überlegen müssen, es gehört etwas gemacht, sonst werden wir alle noch einmal groß schauen. Den Regress hat es schließlich auch deshalb gegeben, um das Thema finanzieren zu können.

Gibt es dafür kein Bewusstsein?

KOGLER: Ich glaube schon, dass es ein stärkeres Bewusstsein gibt. Die Pflegefälle werden mehr, das Thema trifft uns alle. Es gab ja erst unlängst eine breite Debatte darüber, was Pflege eigentlich kostet. Wenn man sich die durchschnittlichen Einkommen ansieht, wird schnell klar, dass sich das niemand wird leisten können. Und damit landet das dann wieder beim öffentlichen Budget, das ja nicht sehr rosig aussieht, wie wir alle wissen.

Wie sieht es mit der privaten Nachfrage nach Pflegeversicherungen aus?

KOGLER: Es wird langsam mehr. Aber das ist auch im Verkauf ein sehr schwieriges Thema, noch viel mehr als bei der Pensionsvorsorge. Jeder fühlt sich unverwundbar. Die Abschlüsse kommen vielfach dann, wenn man einen Pflegefall im eigenen Umfeld mitkriegt. Es ist aber natürlich auch eine Geldfrage, je geringer der Ansparzeitraum ist, desto teurer wird es.

Was müsste aus Ihrer Sicht unternommen werden?

KOGLER: Ich bin zwar nicht unbedingt ein Verfechter staatlicher Eingriffe, aber ich denke bei diesem Thema schon, dass man das auf dieser Ebene regeln müsste. Eine verpflichtende Pflegeversicherung wird letztlich wahrscheinlich das Einzige sein, was geht. Der Einzelne kann es nicht finanzieren, auch im Regress nicht.