S ie sind seit drei Tagen Präsident der Landwirtschaftskammer Österreich, seit 14 Jahren im Nationalrat und seit 42 Jahren Bauer im Weinviertel. Wie oft sitzt man da noch am Traktor?

HERMANN SCHULTES: Leider zu selten.

Gibt's eine Arbeit, die Sie im Jahreslauf nie verpassen wollen?

SCHULTES: Jedes Jahr sitze ich zumindest ein, zwei Tage am Mähdrescher. Das ist ein Ritual.

Apropos Ernte: Wo muss noch viel für eine gute Ernte getan werden? SCHULTES: Wir müssen schnellstens die Spielregeln für die Gemeinsame Agrarpolitik bis 2020 finalisieren. Es ist sehr ärgerlich, dass der politische Prozess in Brüssel so viel Zeit verbraucht, weil die Bauern ja schon auf die neuen Spielregeln warten und Investitionen gebremst werden könnten.

Worauf müssen sich Bauern einstellen?

SCHULTES: Sie müssen den Wettbewerb um den Kunden jeden Tag aufs Neue gewinnen. Denn essen und trinken werden die Leute immer. Aber im Gegensatz zu früher leben die Bauern in einer Welt der offenen Märkte.

Wie soll das gehen?

SCHULTES: Wir müssen alles dafür tun, damit es die Kunden schätzen, dass das Schnitzel aus Österreich kommt.

Aber das Produkt muss offenbar auch für viele billig sein. Was sagen Sie jemandem, der im Geschäft nach billigst hergestelltem Pressschinken um 47 Cent greift?

SCHULTES: Den anderen vorschreiben, wie man leben soll, ist eher der grüne Zugang, den ich gar nicht schätze. Vielmehr müssen wir schauen, dass die sehr gute Ware so bekannt ist, dass die Menschen dafür gern den notwendigen Preis bezahlen.

Warum können Bauern dann ohne Förderung oft nicht überleben?

SCHULTES: Es gibt schon Bereiche, wo der Bauer vom Produktpreis lebt. Schauen wir uns den Wein an, den Gemüsebau, die Forstwirtschaft oder auch viele Direktvermarkter. Anderswo müssen wir das erst zusammenbringen.

Bei Bergbauern zum Beispiel?

SCHULTES: In Regionen, die von den Kosten und Erwerbsmöglichkeiten benachteiligt sind, müssen wir alles tun, um flächendeckende Landwirtschaft aufrechtzuerhalten. Wir müssen sicherstellen, dass ein Betrieb, der seine Milch weit weg und hoch oben produziert, genauso eine Chance hat wie der große Betrieb 100 Meter neben der Molkerei.

Finden Sie es gut, dass Landwirtschaft in der Werbung fast nur so gezeigt wird, wie sie vor 100 Jahren war - mit Almkuh, Handmelken und freilaufendem Schweinderl?

SCHULTES: Man kann in der Werbung natürlich alles zeigen, aber man sollte viel stärker das zeigen, wie der überwiegende Teil der Produktion läuft. Wir bemühen uns jetzt sogar, Schulbücher durchzuschauen. Auch da werden den Kindern Bilder vorgezeigt, die sie in der Wirklichkeit fast nicht finden. So werden Enttäuschungen erzeugt. Das wollen wir ganz bestimmt nicht.

Ihr Vorgänger Gerhard Wlodkowski zeigt sich in seiner Bilanz selbstkritisch, dass es nicht gelungen sei, die Bürokratisierung für Bauern einzudämmen. Wie lässt sich die Bürokratielawine stoppen?

SCHULTES: Erste Aufgabe der Bauern ist das Produzieren. Bei all den Risiken rundherum ist das schwer genug. Ich bin dafür, wenn das Geld knapp wird - und das könnte in einigen Bereichen so sein -, dass wir einzelne Dinge weglassen, um dafür Bürokratie abzubauen. Und dafür Maßnahmen, die sinnvoll sind, ordentlich auszustatten.