V or exakt fünf Jahren wurde das Finanzsystem durch die Lehman-Pleite in seinem Mark erschüttert. Wie schlimm war es damals wirklich?

GERHARD FABISCH: Für die Steiermärkische Sparkasse war 2008 beim Betriebsergebnis das beste Jahr der Geschichte. Das klingt jetzt ganz komisch, aber Lehman hat uns erst einmal gar nicht betroffen, weil die unmittelbare Folge der Pleite im Jahr 2008 ja ein massiver Wertverlust bei Wertpapieren war. Wir haben zwar auch ein Eigenportfolio an Wertpapieren als Liquiditätsreserve. Aber dieses Portfolio war bei uns immer schon extrem konservativ, das sind zu 99 Prozent österreichische und deutsche Bundesanleihen. Und die haben in dieser Phase auch durch Lehman nicht gelitten.

Wie haben Sie diese Tage vor fünf Jahren als Bankmanager wahrgenommen?

FABISCH: Ich sag's ganz ehrlich, ich hab das damals unterschätzt. Ich war in diesen Tagen auch in Wien, bin dort auch mit anderen Bankenvertretern zusammengekommen und habe mich gewundert, dass eine so deutlich spürbare Nervosität da war. Manche haben vom Zusammenbruch geredet und ich hab mir gedacht, was haben die denn, dann bricht halt eine Bank in Amerika zusammen. Natürlich war das eine große, bedeutende Bank, dass da Verunsicherung eintritt, alles klar, aber diese Nervosität und Panik konnte ich mir nicht erklären.

War die Nervosität berechtigt?

FABISCH: Ich habe schon gewusst, dass jene Institute, die stärker in Wertpapiere veranlagt haben, betroffen sind. Was ich aber nicht gewusst habe, war, wie riskant manche dieser Banken veranlagt waren. Deshalb habe ich die Nervosität im ersten Moment nicht verstanden. Im Nachhinein natürlich schon. Das Grundproblem der Vertrauenskrise im Finanzsystem, das dafür sorgt, dass das gegenseitige Ausborgen von Geld zwischen den Banken so schwer geworden ist, hat genau damit zu tun: Niemand weiß, was der andere in seinen Wertpapierbüchern wirklich hat. Ich war überrascht, wie schlecht da einige wirklich beieinander waren.

Ab wann haben sich die Folgen von Lehman auch bei der Steiermärkischen niedergeschlagen?

FABISCH: Als 2009 die Konjunktur abgebrochen ist. Ich kann daher nicht sagen, dass wir das alles gar nicht gespürt haben, aber eben nicht sofort, sondern erst dann, als auf Lehman der Schock für die Realwirtschaft gefolgt ist.

Mit welchen Folgen?

FABISCH: Private und Firmen haben ihre Investitionen gedrosselt, sind vorsichtig geworden. Die Risikokosten sind gestiegen. Das Ergebnis nach Steuern ist bei uns von über 100 Millionen Euro auf knapp über 40 Millionen Euro gesunken. Es war ein deutlicher Rückgang. Aus heutiger Sicht war das trotzdem überschaubar. Seither stabilisieren wir uns bei einem Ergebnis zwischen 60 und 80 Millionen.

Was hat sich geändert?

FABISCH: Die Steiermärkische Sparkasse war von 1985 bis 2008 eine Wachstumsbank, organisch und durch Akquisitionen. Wir haben in diesem Zeitraum über 30 Banken gekauft, Sparkassen und auch Banken in Südosteuropa. Und diese Wachstumsphase hat in dieser Form mit Lehman aufgehört. Seit damals haben wir auch keine Bank mehr gekauft. Die Wachstumsrate der Bilanzsumme hat sich reduziert. Wir haben, wie die meisten anderen Banken, Konsolidierungsphasen eingeleitet, Kosten gesenkt und die Effizienz gesteigert.

Was sind die langfristigen Auswirkungen?

FABISCH: Die eine Betroffenheit ist die, dass die Wachstumsraten der Wirtschaft allgemein zurückgehen und wir den ganzen Mechanismus darauf umstellen müssen. Wir haben derzeit außerdem ein Zinsniveau nahe der Nulllinie, das ist für Banken nicht gut. Die Sparer erhalten fast keine Zinsen, das Zinsniveau bei Krediten ist sehr niedrig. Das schränkt die Ertragslage ein - das sind die langfristigen Auswirkungen seit 2008.

Wie reagiert man darauf?

FABISCH: Die Frage, die sich aus den Rahmenbedingungen - tiefe Zinsen, schwaches Wachstum, strenge und teure regulatorische Vorschriften, konservative Geschäftspolitik - ergibt, lautet: Kann man mit diesem Geschäftsmodell, auch wenn man es gut macht, noch vernünftig Bank sein?

Kann man?

FABISCH: Die Frage ist noch nicht beantwortet. Es gibt mehrere Varianten. Manche Banken machen sich darüber keine Sorgen, schwächen ihre Ertragslage immer weiter ab - und mich wundert, dass die nicht nervös werden. Es gibt Banken, die sehen diesen Entwicklungstrend nach unten und reagieren, etwa indem sie kein Kommerzgeschäft mehr betreiben oder Filialen schließen. Ich sehe aber noch keinen überzeugenden Weg, wie das Geschäftsmodell einer klassischen Retail-Bank in Zukunft ausschaut. Die wirkliche Auswirkung dieser Krise ab 2008 ist, dass sich die Struktur des Bankgeschäfts ändert.

In welcher Form?

FABISCH: Manche sagen, es wird zu Fusionen zu Großbanken kommen, andere sagen, einige Banken müssen vom Markt. Andere setzen nur mehr auf Internet-Banking und schließen die Filialen, die Beispiele gibt's in Holland und Skandinavien. Ich glaube, dass all diese Antworten nicht richtig sind. Es wird Großbanken und mittlere Banken geben, es wird eine Kombination sein. Die Grundsätze des Bankgeschäfts werden bleiben, Vertrauen, Einlagen- und Kreditgeschäft, lokale Kundenbeziehungen. Es wird strukturelle Veränderungen geben, was nicht heißt, dass es keine Filialen oder Kredite mehr gibt.

Noch heute hört man mitunter die These: Wenn Lehman damals gerettet worden wäre, wäre uns viel erspart geblieben - ist das so?

FABISCH: Stimmt nicht. Das war einfach der Nadelstich in eine Blase, die ohnehin platzen musste. Die Staatsschulden haben mit Lehman gar nichts zu tun, die Staaten haben schon vorher zu viel Geld ausgegeben. Das war zum Teil bequem für die Politik, den Banken dann einfach alles zuzuschieben. Aber auch Dinge wie die Spekulationen der Kommunalkredit haben mit Lehman nichts zu tun. Vieles ist durch die Lehman-Explosion dann einfach aufgebrochen. Ich behaupte auch, dass viele gute Jahre die Moral verhauen. Was wir in den sehr guten Jahren vor Lehman alle zu wenig beachtet haben, war der starke Anstieg der Verschuldung. Das war ein Fehler.

Hat die Finanzkrise Sie als Bankmanager verändert?

FABISCH: Alles ist klammer und enger geworden. Wenn man versucht, geringere Profitabilität durch Effizienzsteigerungen auszugleichen, dann ist das ein Job, der nicht nur angenehm für mich ist. Meine Mitarbeiter melden mir schon immer wieder zurück, wie anstrengend ich bin. Es ist natürlich leichter, in einer Wachstumsphase zu sagen, macht's das einfach, die Erträge steigen ohnehin.