I m Wahlkampf wird heftig über die Standortqualität und Wettbewerbsfähigkeit von Österreich gestritten. Ist Österreich abgesandelt, wie es Wirtschaftskammerpräsident Leitl ausgedrückt hat?

BERNHARD FELDERER: Den Ausdruck absandeln kenne ich nur aus dem Wienerischen, ob der angemessen ist, weiß ich nicht. Dass wir bei vielen Rankings verloren haben, ist aber richtig. Daher ist es sogar verdienstvoll, wenn der Herr Präsident darauf hinweist, dass wir was tun müssen. Ich bin also kein Kritiker dieser Bemerkung.

Wo gibt es Reformbedarf?

FELDERER: Wir haben ein Pensionsantrittsalter, das es so in Europa nirgends mehr gibt. Alle anderen Länder haben kapiert, dass das Antrittsalter nach oben muss, weil ihre Systeme sonst nicht halten. Wir aber machen hier so weiche Reformen, dass sich beim Antrittsalter fast nichts tut. Das beobachtet man weltweit. Von außen ist die Wahrnehmung schon die, dass bei etlichen Reformen nichts weitergeht.

Wird bei uns unterschätzt, wie das international beobachtet wird?

FELDERER: Ja. International ist etwa sehr stark aufgefallen, dass wir in Österreich rückwirkende Steuergesetze als normal ansehen, etwa bei Stiftungen oder alten Immobilien. Ich wurde unlängst bei einem Vortrag in New York gefragt, warum sich denn der Staat Österreich da nicht an Abmachungen und Verträge hält und rückwirkend Änderungen vornimmt. Darauf bin ich den USA von großen Investoren angesprochen worden. Die sind besser informiert als so manche Leute in Wien. Das wird bei uns sicher unterschätzt.

Wo lauern Gefahren für den Standort?

FELDERER: Problematisch ist die Debatte über Vermögenssteuern. Selbst die Diskussion darüber, wenn sie so aggressiv wie bei uns geführt wird, schadet uns. Das ist nicht kapitalfreundlich. Und bei uns versteht man leider nicht, dass Kapital und Arbeitsplätze eng zusammenhängen. Das heißt, wenn ich mehr Kapital in einem Land habe, dann habe ich auch mehr Arbeitsplätze. In einer modernen Wirtschaft brauche ich Investitionen, damit ich Arbeitsplätze schaffen kann. Ich erinnere immer gerne an den deutschen Ex-Kanzler Helmut Schmidt, der einmal gesagt hat: Die Investitionen von heute sind die Arbeitsplätze von morgen.

Österreich ist also aus Ihrer Sicht zu wenig investorenfreundlich?

FELDERER: Die Investorenfreundlichkeit hat sich zumindest nicht verbessert. Denken Sie nur an den Grenzsteuersatz, der in den anderen Ländern abgesenkt wurde, bei uns aber gestiegen ist. Die hohe Lohnsteuer bei uns, der Grenzsteuersatz liegt ja schon bei 50 Prozent, wirkt sich auch negativ auf die Mobilität der Arbeitskräfte aus. Der Grenzsteuersatz wurde gegen den internationalen Trend erhöht. Die Verteilungskampfargumente sind zwar in Zeiten wie diesen verständlich, aber dieser Grenzsteuersatz schadet dem Standort.

Es gibt derzeit zwei Fraktionen. Die einen, die harsche Selbstkritik am Standort üben und jene, die sagen, es passt eh alles, immerhin haben wir die niedrigste Arbeitslosenquote in Europa.

FELDERER: Jene, die das Gesundbeten zur Philosophie erhoben haben, sind in Opposition zu jenen, die immer das Kritische hervorheben. Gut wäre natürlich, wenn es Leute gäbe, die klar sagen, das sind die guten Punkte, das die schlechten. Und die schlechten Punkte nehmen wir in Angriff.

In welchen Reformbereichen ist Österreich gut aufgestellt?

FELDERER: Ich übersehe nicht, dass etwa im Gesundheitswesen ein vielversprechendes Gesetz gemacht wurde. Hier wird versucht, die wichtigsten Probleme zu lösen, da sind wir auch weiter als viele Länder in Europa. Das ist positiv. Auch das neue Bundesfinanzgesetz hat bei der Haushaltskonsolidierung sehr geholfen. Es gibt also auch positive Aspekte.

Was müsste eine neue Regierung sofort angehen?

FELDERER: Die Diskussion um die Vermögensbesteuerung ist für den Standort sehr schlecht. Auch am zu hohen Grenzsteuersatz, der ja derzeit nur befristet ist, muss sich etwas ändern. Man muss sich auch endlich darauf besinnen, dass gewisse Infrastrukturprojekte, vor allem jene auf der Schiene, endgültig außer Streit gestellt werden. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, wir liegen bei der Infrastruktur noch immer weit hinter anderen Ländern. Es muss Einigkeit geben und darf nicht gestritten werden, ob ein Tunnel jetzt gebaut wird oder nicht. Das ist ja lächerlich, ich kann das schon gar nicht mehr hören.